Feuerwerk am anderen Ende der Welt – Der Yasur Vulkan auf Tanna/Vanuatu
Die Immigration zu passieren und seinen Pass gestempelt zu bekommen, ist überall auf der Welt eigentlich das Gleiche: Sauertöpfische Beamte drücken gelangweilt und mit einem desinteressierten Grummeln das tintene Siegel ins Reisedokument. An der Pforte der Inselrepublik Vanuatu jedoch wird man anders empfangen. Freundlichkeit ist dort das normalste der Welt und der Chief begrüßt einen auch schon mal mit „Ey man, you got a really nice watch!“ – Das östlich von Australien und gut 16.000km vom heimatlichen Deutschland entfernt gelegene Archipel ist die Heimat einer der aktivsten und magischsten Feuerberge der Welt: des Yasur
Wie auf einer Perlenschnur sitzen auf dem Pazifischen Ring des Feuers, von Neuseeland bis Chile, gut 70% aller weltweit aktiven Vulkane, darunter einige der gefährlichsten und zugleich interessantesten Feuerspucker unseres Planeten. Die noch frischen Bilder des Ausbruchs eines Unterwasservulkans nahe Tonga verdeutlichen wohl am ehesten, dass die Südsee an machen Orten vielleicht nicht ganz so friedlich ist wie sie scheint. Das Vanuatu-Archipel ist einer jener paradiesisch wunderschönen Orte, deren Existenz einzig und allein auf Vulkanismus zurückzuführen ist.
Angelockt vom Glühen der Lava, landete James Cook im Jahre 1774 im Süden der Vanuatu-Insel Tanna. Schon von weitem sah er in den Wolken indirekt das Leuchten der Erde, die Glut des Yasur. Der Vulkan ist ein weltweit einzigartiges Paradebeispiel strombolianischer Aktivität, die dem eigentlichen Namensgeber (Stromboli) locker den Rang abläuft. Mit einer Kraterrandhöhe von nur 361m erscheint der Yasur auf den ersten Blick alles andere als ein Gigant. Doch das täuscht gewaltig… Sein Motto ist eher „klein, aber gemein“, denn er hat das Potential, sämtliches Leben auf der Insel jederzeit auslöschen zu können.
Hobby-Panzerfahrer hätten auf den Wegen im Inneren Tannas wohl ihre wahre Freude. Vom Flugplatz bis zum Südende der Insel kann es trotz geringer Distanz (~30km) schon mal 3-4 Stunden dauern. Auf gut Glück in Tanna angekommen, nahmen sich Coreena nebst Vater meiner an. Die Fahrt allein war schon ein Abenteuer, denn unterwegs auf derb erodierten Pfaden, flirtete der Alte recht heftig mit dem Gaspedal. Zum Leidwesen von Onkel John, dessen gelegentliche laute „UH!“-Rufe Coreenas dauerhaftes Geschnatter unterbrachen, wenn sich die Reling des Jeeps mal wieder schlaglochbedingt in sein Gemächt rammte. Der gute John setzte sich aber auch nicht woanders hin…
Neben den verwitterten Straßen ist vor allem der Fluss am Fuße des Vulkans ein nicht zu unterschätzendes Hindernis, was für Coreena, John, den Alten und mich prompt in einer ascheschlamm-bedingten Bergungsaktion mündete. Die Regenzeit 2008/2009 muss wohl sehr ergiebig gewesen sein. Den Wasserfall zumindest haben die Fluten komplett abgeschliffen. Wo der Fluss jetzt seine Bahn zum Pazifik zieht, befand sich noch früher, direkt am Fuße des Yasur, ein durch Ascheschlamm aufgestauter See. Im Jahre 2004/05 barst dieser Damm und Unmengen von Wasser rauschten gen Ozean. Der Chief räumte das in der Schusslinie gelegene Dorf jedoch rechtzeitig.
Der wohl beste Platz zum Übernachten ist Kelsons Jungle Oasis. Sein kleines Dschungelparadies bietet dem Reisenden ein Baumhaus und ein paar Bungalows, ja sogar fließend Wasser von der Quelle in den Bergen. Von einem Baumhaus aus, ohne Elektrizität und nur im Schein einer Kerze den glühenden Vulkan zu beobachten und dabei vom glasklaren Sternenhimmel der Südsee in den Arm genommen zu werden, ist wohl eine der romantischsten Erfahrungen dieser Welt. Keine Staus, keine Hektik, keine Kill Bill Klingeltöne. Mit nur ca. 30-45 Minuten Fußmarsch Entfernung schläft man zudem in fast direkter Nachbarschaft zum Vulkan. Des nächtens hört man seine Eruptionen als entferntes Grollen, man fühlt die kleinen Erdbeben die den Löffel in der Kaffeetasse zum Klappern bringen und ab und zu kommt auch mal ein wenig Asche runter. Egal wo man schläft, kurz nach der Regenzeit ist das Moskitonetz eines der wichtigsten Utensilien. Mit nahezu chirurgischer Präzision finden die Biester genau jene Stelle, die anstatt 2 nur 1 Tropfen Insektenschutz abbekommen hat. Vor Malaria braucht man zwar keine Angst zu haben, aber es juckt halt tierisch…
Den ersten Aufstieg machte mir der Berg streitig. Zwar ist der Yasur nur 361m hoch, seine Ascheflanken jedoch sind geradezu die Definition von steil. Wie auf einer Wüstendüne macht man einen Schritt, um dann wieder einen halben zurück zu gleiten. Spätestens wenn sich das sengende Zentralgestirn und die Last von 20kg Fotoausrüstung vereinigen, wird der Aufstieg zur Tortur. So gesehen kam mir die dann überraschend aufgetauchte fumarolische und obendrein sehr heiße Spalte an der Nordflanke recht gelegen um wieder den Abstieg anzugehen. Die Hitze aus dem Erdinneren drang immerhin schon durch die dicken Sohlen der Wanderschuhe und brachte einen zum Tanzen. Den Krater kann man allerdings auch wesentlich einfacher erreichen. Kurz hinter Kelsons Oase zweigt eine Straße ab und führt fast bis zum Kraterrand. Dort befindet sich auch ein kleines Grüppchen, dass einem die Gebühr den Vulkan besuchen zu dürfen abknöpft. Wer mehrere Tage auf Tanna verbringt, kann übrigens für die Folgetage einen nicht unerheblichen Rabatt raushandeln.
Am Fuße des Berges hört man wenig von seiner Aktivität. Befindet man sich aber oben, hört man die Lava zischen, kochen und fauchen. Am beeindruckendsten und wohl unvergesslichsten ist das Zusammenspiel der Kräfte. Erst fühlt man ein kleines aber markerschütterndes Erdbeben in den Knochen und Eingeweiden. Nur Bruchteile einer Sekunde später spürt man die Druckwelle der Explosion auf der Brust und hört den ohrenbetäubenden Lärm. Dabei pfeifen die glühenden Brocken buchstäblich wie Artilleriegranaten durch die Luft, um dann irgendwo mit einem dumpfen Aufschlag niederzugehen. Unvergesslich ist auch das metallisch-gläserne Prasseln, wenn kleinere Lavastücke wieder in den Schlund zurückpurzeln. Der verbrannte Geruch von Asche gemischt mit höllischen Schwefeldämpfen liegt in der Luft. Der feine Aschestaub peelt einem die Fingerspitzen und das Gesicht. Ja, selbst schmecken kann man einen Vulkan – ein Erlebnis für alle Sinne also. Setzt die Abenddämmerung ein, verwandelt sich diese Szenerie von furchteinflößend in wunderschön und faszinierend. Am Nachthimmel zeichnen dann tausende roter Geschosse ihre Flugbahn ins Schwarz.
Allein wie hypnotisiert auf dem Kraterrand sitzend, wird man eins mit dem Vulkan und erkennt im Yasur die Seele und das Wunder der Schöpfung. Die ultimative Kraft liegt einem zu Füßen. Es gibt nichts Stärkeres auf Erden. Sie erschuf das Leben, hält unsere Lebensbedingungen in Balance, ist aber jederzeit in der Lage all das restlos auszulöschen.
Die anderen Vulkane Vanuatus sind nicht minder gefährlich. Die Caldera auf der Insel Ambrym zum Beispiel ist Zeugnis einer der zehn schwersten Eruptionen, die die Erde je erlebte. Genau genommen ist die ganze Insel ein einziger riesiger Schildvulkan, in dessen Zentrum die beiden heutigen Vulkankegel Marum und Benbow liegen. Letzterer hatte in den 90er Jahren, ähnlich wie der Nyiragongo, einen sprudelnd kochenden Lavasee im Krater.
Die regelmäßigen Explosionen des Yasur resultieren aus sehr gashaltigem Magma. Das Gas steigt empor, verdichtet sich dabei und sobald es an die Oberfläche kommt dehnt sich explosionsartig aus. Dabei reißt es Lavafetzen mit sich, die auch locker mal 60-70kg wiegen können, so genannte Lavabomben. David, ein auf Tanna lebender Engländer berichtete von heftigen Eruptionen die bis zu PKW-große Lavabrocken über den Kraterrand schleuderten. Die Aktivität des Yasur wird in lokalen Aktivitätsstufen gemessen:
- 1 – Normale Aktivität, innerhalb des Kraters
- 2 – Stärkere Aktivität, die den Kraterrand übersteigt
- 3 – Massive Eruption, mit Auswurf im Umkreis von bis zu 6km
- 4 – Katastrophale Eruption, die die komplette Insel verwüstet; pyroklastische Ströme möglich
- Man sollte zunächst ein Gefühl für die Eruptionen, deren generelle Intensität und Rhythmus entwickeln.
- Die Ausstoßrichtung des Vulkans beobachten. In der Regel bleibt diese über längere Zeit konstant. Die entgegengesetzte Seite ist statistisch gesehen ruhiger und damit ein wichtiger Rückzugsraum.
- Jede Eruption beobachten, denn jede der Eruptionen kann sich in der Intensität vom Vorgänger gravierend unterscheiden. Man muss immer mit Querschlägern rechnen.
- Heiße Aschewolken sind federleicht, gasreich und können sehr leicht vom Wind mitgerissen werden. Also auf die Windrichtung achten und ggf. eine Gasmaske mitnehmen!
- Stößt der Vulkan aus, immer schauen wo das Material runterkommt. Scheint etwas auf Dich zuzukommen, dann nicht unkontrolliert wegrennen, sondern einen ausreichenden Schritt zur Seite gehen.
- Niemals mit Turnschuhen, Sandalen oder Flip-Flops auf den Berg!
- Einen Helm zu tragen ist meines Erachtens nach Pflicht!
- Krater sind oftmals instabile Gebilde, vor allem in regenreichen Gebieten. An Vulkanen kommen häufig Mini-Erdbeben vor, deren Kraft ausreicht eine komplette Wand abrutschen zu lassen.
- Und verdammt nochmal NIEMALS Mut antrinken….!
- PS: Je nach Lautstärke sind Ohrstöpsel manchmal nicht verkehrt :-)
Wer diese Regeln beherzigt, der wird ein mächtiges, unvergleichliches Naturschauspiel erleben. Dieser Artikel ist den wunderbaren Menschen auf Tanna gewidmet. Danke Kelson, Joyce & Coreena. Danke David für das wunderbare Gespräch auf der Rückfahrt. Danke Yasur, dass ich auf Deinen Flanken reitend die ungezügelte Kraft der Erde erleben durfte.
http://www.vanuatutourism.com – Offizielle Seite der Vanuatu Tourismus-Information http://www.positiveearth.org – Sehr gute Detailinfos über Tanna – Weitere Infos über die Tafea-Inseln, einem Inseldistrikt Vanuatus http://www.jungle-oasis.com – Kelsons Jungle Oasis http://www.vanuatu.travel – Noch mehr Tourismustipps in SachenVanuatu