Im Bann der Sieben Schwestern – Moskau
Die russische Hauptstadt ist eine Metropole der Superlative. U-Bahnen im 90-Sekunden-Takt, am Himmel kratzende Stalin-Bauten, marmorverzierte Bahnhöfe und inmitten der Stadt mehrspurige Straßen, die eher an Autobahnen erinnern. Moskau ist immer eine Reise wert, und für uns Fotografen wird eindeutig die Frage geklärt, dass es nicht auf die Länge sondern den Durchmesser ankommt.
Die letzte Reise nach Russland, genauer gesagt nach Sankt Petersburg, liegt schon ein wenig zurück. Seit dem Sommer 2007 ist genug Zeit verstrichen, es war wieder mal an der Zeit unserem russischen Nachbarn einen Besuch abzustatten. Wenn ich fliege, dann nutze ich die Kotztüte eigentlich nur um diversen Zettelkram darin aufzubewahren. Angesichts dessen, was AirBerlin-Chef Unhold Hunold so in das Editorial seines Boardmagazins reinschmiert, hätte ich das Behältnis allerdings sehr gern seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt und sogar noch Tütennachschlag verlangt. Ein Wunder, dass die post-kommunistische Hauptstadt überhaupt von den Flugzeugen des Vorzeigekapitalisten angeflogen wird… Herr Hunold, anstatt Kanzlerinnenzäpfchen à la Hugo Müller-Vogg zu spielen, sollten Sie sich lieber auf Ihr Kerngeschäft konzentrieren. Qualitative, vertragsgemäße Beförderung von A nach B gilt nämlich auch für aufgegebenes Gepäck.
Wer sich der Unfreundlichkeit des Sheremetyevo Flughafens entziehen will, der ist auf dem Domodedovo-Airport definitiv besser aufgehoben. Die dortige Passkontrolle ist jedoch ein echtes Nadelöhr. 300-400 Menschen, meist russischer Abstammung, begehrten Einlass an wenigen Kontrollschaltern. Wer schon mal das Vergnügen in der russischen Botschaft in Berlin hatte, der wird wissen wenn die Rede von „Hauen und Stechen“ ist. Hat man diese Hürde genommen, steht dem Weg in die Stadt nichts mehr im Wege. Der AeroExpress braucht 40 Minuten bis er den Paveletsky Bahnhof (Павелецкий вокзал) erreicht. Das Ticket des AeroExpress-Zugs braucht man übrigens die ganze Fahrt über, vor allem Ende, um mit dem Strichcode die Kontrollgitter passieren zu können. Also nicht wegwerfen das Teil!
Die einfache Fahrt mit der Moskowiter Metro kostet 22 Rubel. Dafür kann man sich innerhalb des gesamten U-Bahn-Systems von A nach B bewegen. Die Beschilderung lässt manchmal ein wenig zu wünschen übrig. An der Teatralnaja (Театральная) zum Beispiel findet man nicht gleich den Übergang zur roten Linie und zum Ochotny Rjad (Охотный ряд). Nach dem beeindruckend präzisen 90-Sekunden-Takt der Metro kann man buchstäblich seine Uhr stellen. Sicherlich hat Moskau mehr Einwohner als Berlin und damit ein höheres Passagiersaufkommen zu bewältigen, beim direkten Vergleich der terminlichen Qualität aber können sowohl die „Könner“ von S-Bahn als auch BVG einfach nur noch einpacken.
Die Metro-Stationen an sich sind schon Kunstwerke. Fotografieren ist nicht gern gesehen, aber angucken und staunen natürlich allemal erlaubt. Besonders beeindruckend sind die: Komsomolskaja (Комсомольская), Kiewskaja (Киевская), Park Pobedy (Парк Победы), Ploschadch Rewoluzii (Площадь Революции) sowie Majakowskaja (Маяковская) und die Novokuznetskaja (Новокузнецкая).
Touristisches Zentrum ist natürlich die Gegend rund um den Kreml. An manchen Tagen quillt der Rote Platz geradezu vor Besuchern über. Die kommen im Übrigen nicht nur aus dem Ausland, im Gegenteil, für viele Russen ist die Reise in die Hauptstadt und die Besichtigung der mit ihr verbundenen wichtigen Kulturstätten etwas sehr Besonderes. Scheint die Sonne, kann man sich an den Eingängen zum Roten Platz mit den Doppelgängern der wechselhaften russischen Geschichte fotografieren lassen. Dabei kommen schon mal Konstellationen zu Stande, die auf einem Foto Hände schüttelnd sowohl die Revolution (Lenin) und als auch den Grund der Revolution (Zar Nikolaus II.) zusammenbringen. Ein weiterer herrlicher Gegensatz ist der Eingang des GUM-Kaufhauses, über dem neuerdings das Abbild Jesu, gerahmt von sowjetischen Emblemen prangt. Obendrein liegt symmetrisch gesehen der Leichnam Lenins genau gegenüber. Eine interessante Konstellation, wenn man sich mal den „Stellenwert“ der Religion zu Zeiten von Stalin & Co. anschaut…
Die Mauer des 330m langen Pflasters zwischen Erlösertor und Spasski-Turm (Спасская башня) ist das zentrale Element des Roten Platzes. Hier wird den wichtigsten russischen Persönlichkeiten wie dem ersten Menschen im All, Jury Gagarin, und natürlich Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt als Lenin, gedacht. An wichtigen Tagen, zum Beispiel dem 9. Mai, dem Tag des Sieges über das faschistische Deutschland, wird der Platz komplett gesperrt. Selbst an den Tagen zuvor wird schon mit Personenkontrollen und dem Aufbau der Tribüne begonnen. An die Kreml-Mauer kommt man dann leider nicht ran.
Betritt man die Roten Platz mit professionellem Fotoequipment, dauert es nicht lange und man wird mit dem FSO, dem Geheimdienst zum Schutz des Präsidenten und der Regierung konfrontiert. In meinem Falle hatte ich das Stativ um ein schönes Panorama-Foto des Roten Platzes zu schießen schon aufgebaut, als ein junger Kerl in meinem Alter an mich herantritt und mir auf Russisch mitteilt, das professionelles Fotoequipment nicht erlaubt sei. In der Tat regelt ein Gesetz, dass Objektive mit Durchmesser größer 67mm als professionell angesehen werden und eine Genehmigung erforderlich ist. Kooperatives Verhalten und ein wenig Freundlichkeit sichern einem dann aber doch das Foto das man mit nach Hause tragen möchte.
Mit am eindrucksvollsten sind die diversen Stalin-Bauten, die sogenannten Sieben Schwestern. Die Rede ist von massigen, hohen Gebäuden die allesamt im Zuckerbäckerstil errichtet worden sind. Weithin sichtbar thront zum Beispiel das Appartementhaus an der Kotelnitscheskaja über der Stadt und der Moskwa. Die größte dieser Schwestern ist die Lomonossow-Universität, die zugleich immer noch das größte Universitätsgebäude der Welt ist. Die Lomonossow residiert südwestlich der Stadt auf den Sperlingsbergen und kann über die Metro-Station Universität (Университет) erreicht werden. Doch Obacht, von der Metro aus nähert man sich dem Gebäude von der Seite, was die Lomonossow nicht ganz so wuchtig erscheinen lässt wie sie eigentlich ist.
In Sachen Essen weiß Moskau durchaus positiv zu überraschen. In der Bolschaja Nikitskaja zum Beispiel gibt es ein Restaurant mit dem verwirrenden Namen CoffeeMania. Die Preise liegen zwar über dem russischen Durchschnitt und damit auf gutem europäischen Niveau, die Qualität der Speisen ist jedoch exzellent. Die Consommé vom Stör zum Beispiel ist einfach nur genial… In georgischen und armenischen Restaurants kann man eine weitere super leckere Delikatesse ordern: saftige, mit Fleisch gefüllte Teigtaschen namens Khinkali.
Selbst ein langes Wochenende reicht nicht aus um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der russischen Hauptstadt erkunden zu können. Das wichtigste Erlebnis aber hat man ständig um sich, die Menschen und das damit verbundene Leben. Auch wenn der eine oder andere mal ein wenig grummlig ist, die Moskowiter sind wie wir Berliner: Manchmal ein wenig frech, aber im Grunde ihres Herzens gastfreundlich, hilfsbereit und bodenständig.