Wolke sieben für Nager – Der Rattentempel ‚Karni Mata‘ in Deshnok
Von Kühen, über Elefanten, Flüssen bis hin zu Affen kann in Indien so ziemlich alles heilig sein, was einem vor die Nase kommt. Eine der wohl merkwürdigsten Huldigungen aber ist in Deshnok an der Tagesordnung. Die kleine Wüstenstadt im westlichen Rajasthan ist die Bühne eines Sakralbaus in dem Karni Mata verehrt wird. Diese Schutzgöttin der Rajputen und Reinkarnation der Göttin Durga schart in Form von vierbeinigen Nagern die Seelen der Verstorbenen um sich: im Rattentempel.
Der Weg nach Deshnok ist weeeeeeeeeit… Fernab der touristischen Hauptschlagadern zuckelt man in der Wüste Rajasthans und in Rufweite der pakistanischen Grenze mit durchschnittlich 50km/h über die von den Einheimischen „Straßen“ genannten Trampelpfade wo Schlaglöcher Walzer tanzen. Trotz der zeitraubenden Anreise lohnt sich der Abstecher, insbesondere wenn man Jaipur oder Jodhpur für längere Zeit besucht, denn angesichts der bizarren spirituellen Seite sowie Heerscharen von Ratten, geht selbst Vielgereisten der Ausruf „Alter Schwede…!“ über die Lippen.
Für Menschen mit einer ausgeprägten Nagetierphobie muss der Karni Mata Tempel wohl die Hölle auf Erden sein. Überall wo man hinschaut, ob in Metall gegossen oder in Stein gehauen an der Wand, oder aber allerorts auf dem Boden laufend, man sieht nur noch Ratten… Man darf den Tempel nur barfuß betreten, was gepaart mit der Omnipräsenz der sehr flinken Vierbeiner unter Garantie dafür sorgt, das man sich jeden Schritt dreimal überlegt, denn schließlich will man ja weder in die Haxen gebissen werden noch in die Exkremente der Schnurrbartträger treten. Wenn es geregnet hat, was zugegebenermaßen in der Wüste selten der Fall ist, dann wird es aber auch für hartgesottene eklig; man läuft barfuß und schlitternd über einen übelriechenden Schmierfilm, dessen wahre Bestandteile nicht wissen möchte.
Für Angehörige anderer Kulturkreise bieten sich teilweise sehr befremdliche Szenen, die bestimmt nur die Spitze des Eisbergs sein werden, denn hinter den unzähligen Schlupflöchern geht garantiert noch mehr die vierbeinige Post ab. Ob der Masse an Ratten ist es allerdings umso erstaunlicher, dass sich die Tiere nicht außerhalb des Tempelkomplexes aufhalten und es bis dato zu keinerlei nennenswerten Hygieneprobleme gekommen ist. Der Rattentempel in Deshnok – exzentrisch, definitiv einmalig und total abgefahren im positiven Sinne :-) Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn der blonde Blauäugige mit seiner Fotoausrüstung angestarrt wird als ob er gerade einem Raumschiff entstiegen ist, während nebenan Menschen mit den Ratten sogar teilweise aus einem Topf essen.