Dallol – Wie auf einem anderen Stern

Der Dallol ist die tiefst gelegene vulkanische Erscheinung auf dem Festland und obendrein der Hitzepol der Danakilwüste. Hier sammelt sich nicht nur die backofenartige Luft, sondern werben diverse, chemisch angereicherte Tümpel und deren extrem farbenreiche Salze um die Gunst der Netzhaut. Wenn zu den Füßen teilweise pure Säure aus dem Boden sprudelt und auch die ein oder andere Schwade ätzenden und übel riechenden Dampfs vorbeizieht, dann klingt das unwirtlich und alles andere als einladend. Besucher allerdings belohnt dieses weltweit einzigartige geothermale Highlight mit einem Feuerwerk an Farben, Formen und Phantasie.

Ob der Dallol nun ein Vulkan oder aber „nur“ eine geothermal aktive Region ist, darüber kann gestritten werden. Fakt ist, beim letzten Ausbruch kollabierte der Vulkan und seine höchste Erhebung misst jetzt nur noch 60 Meter über dem ohnehin schon unter dem Meeresspiegel liegenden Wüstenboden. Unter ihm jedoch brodelt es heftig. Man tut keinen Schritt, ohne nicht das allgegenwärtige unheimliche Gluckern wahrnehmen zu können.

Im Erdinneren kommt, auch durch die Nähe des Roten Meeres, Grundwasser in Kontakt mit dem heißen Erdinneren. Es wäscht die unterschiedlichsten Salze und Mineralien aus dem Gestein und nimmt diese dann Huckepack im Dampf mit an die Erdoberfläche. Dort angekommen, dampft die Sonne das Wasser wieder raus und die Mineralien und chemischen Verbindungen bleiben übrig.

Das Ergebnis sind sprudelnde Säuretümpel, Farbexplosionen in all nur erdenklichen Tönen; kurzum eine Gegend, wo sich Schwefel und Mineralien gute Nacht sagen und dem menschlichen Auge wird ein Bild vermittelt, das so gar nicht an die Erde denken lassen will.

Wenn auch wenn keine Lava zu Tage tritt, so ist der Dallol alles andere als inaktiv und ungefährlich. Säure will man nicht unbedingt an seinen Körper lassen und auch der Boden auf dem man läuft ist von Fumarolen stark durchdampft und somit alles andere als stabil.

Die enorme Hitze der Wüste tut ihr übriges, sorgt sie doch dafür, dass die aus dem Boden quellenden Gase schlechter abkühlen und die ganzen kleinen Pfützen erhöhter Verdunstung unterliegen. Speziell nach 10 Uhr wird es am Dallol buchstäblich unerträglich und ohne Atemschutz definitiv gesundheitsgefährlich. Am Boden kann die Gaskonzentration dann derart zunehmen, dass der fotografentypische Gang in die Hocke auf einmal Black Out und Erstickungsgefahr birgt.

Man weiss nie was aus dem Boden kommt und vor allem in welcher Konzentration. Den Dallol ohne Atemschutz zu begehen ist risikoreich und selbst mit Gasmaske sollte man sich wegen der in der Umgebungsluft gelösten Schwefeldämpfe nicht allzu lang dort aufhalten. Augenblicklich werden die Erinnerungen an den Besuch der Kawah Ijen in Ost-Java wach, welcher allerdings bezüglich der Temperaturen ein Spaziergang war, denn bei durchschnittlichen 55°C im nicht vorhandenen afrikanischen Schatten cool zu bleiben, sprich nicht zu schwitzen, vermag wohl nur der Leibhaftige selbst. Und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis der eigene Schweiß oder Speichel beginnt sich mit den Schwefeldämpfen zu verheiraten und das Wohlbefinden zu malträtieren. Mein Schweiß zum Beispiel wurde sauer und griff das Metall meiner Armbanduhr an.

Mit seiner „Gipfelhöhe“ von 60m steht der Dallol auch für einen anderen Superlativ, sich 48m unter dem Meeresspiegel zu befinden und somit die tiefgelegenste vulkanische Erscheinung auf dem Festland zu sein. Übrigens bedeutet Dallol in der Sprache der Afar so viel wie „Ort ohne Wiederkehr“, bzw. „Ort des Eingangs zur Hölle“. Legenden erzählen von Wanderern, die auf ihrem Weg durch die Wüste am Dallol verschwanden. Vielleicht sind sie verdurstet, in die Säure gefallen oder aber die Farbenpracht schickte sie in den Wahnsinn…

Der Weg führt vom Fuße des Dallol über scharfkantiges Lavagestein zum Zentrum des Implosionskraters. Dort, umgeben von einem gelb-grünen Meer auf dem mineralisierter Schwefel wie Eisschollen zu treiben scheint, erhebt sich eine kleine Insel soliden Gesteins, von der aus man einen herrlichen Blick über den Vulkan hat. Im Westen schließt sich ein kleiner Canyon an, dessen kalkhaltiges Gestein stark von der Gewalt des Ausbruchs deformiert wurde. Eine Schicht harten mineralisierten Salzes schützt den Kopf dieser Travertinen genannten Säulen aus Kalksinter vor Erosion. An den Seiten jedoch sind sie der Erosion ausgeliefert und und werden allmählich schlanker.

Noch weiter westlich erreicht man etwas, dass die einheimischen Afar einfach nur das „Das Schwarze Ding“ nennen. Für mich persönlich ist es der mit Abstand surrealste Ort den ich je betreten durfte. Es handelt sich um einen stahlblau-grauen Tümpel umgeben von rostrotem Erdreich, der sich neben einem massigen Pfropfen schwarzen Lavagesteins auftut. Es fehlt nur noch die verflüssigte, über einem Ast hängende Uhr, und die Wahrnehmung sich in einem Gemälde von Salvador Dali aufzuhalten wäre perfekt. Der Gestank jedoch ist unerträglich und erinnert eher an großzügige Düngung mit Schweinegülle. Kaum nimmt man die Atemaske ab, setzt der Kotzreiz ein. Auf dem Weg zurück nach Hamed Ela passiert man die mit Mofetten durchsetzten großen Säurebecken. Was zunächst wie ein riesiger Whirlpool mit gelblich-braun sprudelndem Erkältungsbad aussieht, ist hochgiftig und wird für verirrte Vögel leider zu einer Reise ohne Wiederkehr.

Und auch hier, fern der Zivilisation, stellt der Mensch gegenüber einer der unwirtlichsten Gegenden der Welt Besitzansprüche und greift in den Lauf der Dinge ein. Indische Investoren walzten bereits eine Strasse von Agula nach Hamed Ela, um am Dallol eine Anlage zur Gewinnung der Chemikalien errichten zu können. Die ersten Baracken und Türmchen stehen bereits und passen so gar nicht in die Szenerie der Säuretümpel.

Und auch der Tourismus hinterlässt seine Spuren. Der in dieser Region stationierte Grenzsoldat Saleka berichtete, dass in der Hauptsaison mittlerweile gut 30 Autos pro Tag am Dallol eintreffen, sprich mindestens 60 Leute über die Kristalle laufen und diese dabei natürlich auch nach und nach zerstören.

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