Aus dem Ganzen gehauen – Die Felskirchen von Lalibela

Vor Jahrmillionen wurde durch vulkanische Aktivität das äthiopische Hochland aufgefaltet. Dort, auf 2500m Höhe, findet man das Dorf Lalibela mit seinen weltweit einmaligen Kirchen, die, getrieben von der Idee ein zweites Jerusalem zu errichten, in die rote Basaltlava gehauen wurden. An wichtigen religiösen Feiertagen, wie zum Beispiel Ostern, entfaltet sich dort eine sehr interessante Mischung aus Spiritualität und touristischer Internationalität.

Der Klang des Namens Lalibela mag für den ein oder anderen Westeuropäer eher nach Lippenpflege denn nach einem äthiopischen Herrscher klingen. Nachdem er einen Mordanschlag überlebte und dabei eine Vision erhielt, ließ er im 12./13. Jahrhundert elf monolithische Kirchen ins nackte harte Vulkangestein treiben. Das damals noch Roha genannte Dorf erhielt alsbald den Namen Lalibela und gilt jeher als Zentrum der afrikanischen Christenheit, genauer gesagt der Kopten, einer Gruppe aus Ägypten stammender Christen um den Heiligen Markus, dem Verfasser des Markus-Evangeliums.

Am Vorabend des Ostersonntags versammeln sich hunderte Pilger in ihren weißen Gewändern rund um und in den Kirchen. Gegen 21 Uhr beginnt dann allerorts die Zeremonie, mit der die Geburt Jesu Christi als Stellvertreter Gottes gefeiert wird. Im Hof der Kirche Bet Maryam wird dann die heiligste Reliquie, das Kreuz von Lalibela, enthüllt und in die Feierlichkeiten mit eingebunden. Wunderschön ist der Moment, wenn gegen Mitternacht hunderte von Kerzen entzündet werden. Eine Lichtstimmung, die im Falle von Bet Maryam allerdings durch Neonstrahler zersägt wird.

Leider wird dieses Fest oftmals durch anwesende Touristen gestört, zum Beispiel wenn der fettbäuchige amerikanische Opa dem Priester mit der Videokamera derart auf die Pelle rückt, als ob er eine Großaufnahme von dessen Zahnfleisch machen will. Gegen 2 Uhr in der Nacht liegen solche Gestalten glücklicherweise schon im Bett und man kann sich der spirituellen Atmosphäre Lalibelas hingeben.

Einen anderen Dämpfer bescherten uns die Italiener… Normalerweise ein Völkchen bekannt für bestes Essen, grandioses Design und Wertschätzung kultureller Güter, spannten sie weltraumbahnhofartige Dächer über den erhabenen Kirchen. Sicherlich muss der Erosion entgegen getreten werden, aber muss das wirklich auf derart unpassende Weise geschehen? Jene kantige Orgie aus Glas und Stahl trübt die Ausstrahlungskraft der Kirchen gewaltig.

Glücklicherweise ist die als gleichschenkliges Kreuz in den Felsen gehauene Kirche Bet Giyorgis (Google Maps) diesem Schicksal bisher entgangen. Im Inneren jedoch sind die Kirchen, bis auf die Bet Maryam und Bet Medhane Alem, relativ schlicht gehalten und nur selten enthüllt das Neonlicht Kunstschätze wie zum Beispiel ein den Heiligen Georg beim Töten des Drachen zeigendes Gemälde, welches aufs 14. Jahrhundert datiert wird.

Definitiv gewöhnungsbedürftig ist das lang anhaltende, nächtliche Singen der Priester. Ohne Ohrstöpsel wird man definitiv keine Ruhe finden. Es geht allerdings noch schlimmer. In anderen Teilen des Landes, so zum Beispiel Gonder, wird das Singen noch durch kratzende Lautsprecher und ins Gejaule einstimmendes Viehzeug wie Hunde, Esel, Katzen getoppt.

Ähnlich nervend sind die alle 2m aufs Neue erfolgenden „Hey Mister!“-Rufe, wenn einer der Einheimischen mal wieder versucht einem mit einer an den Haaren herbeigezogenen Geschichte die Birrs aus der Tasche zu ziehen. Ein nerviges Ärgernis und obendrein eine Vorgehensweise, die alles andere als mit religiösen Werten vereinbar ist!

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