Jodhpur – Wo sich Shiva und Allah die Hand reichen
In Jodhpur ist der Ruf des Muezzins schon lauter. Arabien rückt näher. In Jodhpur ergänzen sich die Einflüsse zweier Welten und bilden eine sehr interessante Schnittstelle zwischen indischem und arabischem Kulturkreis. Die kleinen pittoresken Straßen mit ihren historischen Häusern, Haveli genannt, quellen nur so vor Leben über. Doch wie eng die Gasse auch sein mag, ein Blick auf das wie ein Schlachtschiff vor den Toren der Stadt liegende massive Mehrangarh Fort ist eigentlich immer möglich. Zentrum der Stadt ist der Uhrenturm mit dem ihm umgebenden alten Markt, dessen außergewöhnliches Sortiment nicht wundern lassen würde, wenn man sogar angekaute Kaugummis kaufen könnte.
Blickt vom Mehrangarh Fort herab auf Jodhpur, erkennt man ohne große Probleme die farbliche Identifikation der Stadt: Blau, denn ein Anstrich in Indigo schützt die Häuser vor allzu starker Sonne und hält sie kühl. Jodhpur ist überschaubar, allerdings von dutzenden kleinen Gassen durchzogen, in denen das Leben nur so brummt. Es ist geräuschvoll und staubig. Der Rikscha-Fahrer kann eben noch der plötzlich auf die Straße laufenden Kuh ausweichen, während hinter ihm ein Jeep und fünf andere Motorräder sofort den Finger an der Hupe haben.
Der Weg hoch zum Mehrangarh Fort ist nicht gerade asphaltiertes Flachland, aber überwindbar. Oben angekommen, eröffnet sich logischerweise ein sehr schöner Fernblick über die Stadt. Das Innere des Forts ist der sehr gut erhaltene Palast eines Maharadschas und beherbergt ein gut sortiertes Museum, durch das die durch den Audio Guide ferngesteuerten Touristen strömen.
Der Alte Markt rund um den Uhrenturm ist wohl einer der kauzigsten aber auch authentischsten Plätze Indiens. Neben charakterstarken Gesichtern sieht man vor allem eins: alles Mögliche an Waren. Während jemand neben dem Ersatzteilmann für Nähmaschinen frisch gebackenes Butter Naan verkauft, kann einen Stand weiter die neueste Bolly- und auch Hollywood-Produktion auf selbstgebrannten DVDs erstanden werden und nur einen Wagen weiter kann man aller Herren Vorhängeschlösser erwerben. Am entspanntesten nehmen es allerdings die Gemüsehändler, von deren Coolness sich selbst noch Happy Days‘ Fonzie eine dicke Scheibe abschneiden könnte.
Süßigkeiten. Eine kleine Gruppe Mädchen läuft eine Gasse entlang, hält dann aber abrupt an und drückt sich die Nase am Schaufenster des Süßigkeitenbäckers platt. Wo sonst wenn nicht in Jodhpur wurden diese kleinen verdammt leckeren Dinger perfektioniert. Erschaffen werden sie aus Honig, Kokos, Safran sowie Pistazien, Mandeln, Puffreis oder Kardamom und natürlich mit guter aromatischer Milch. Hat man erst einmal Gulab Jammon, das bekannteste von ihnen probiert, gibt es unter Garantie kein Halten mehr. Aber Vorsicht: Die Dinger gehen bestimmt ohne Umweg direkt auf die Hüfte :-)
Die kleinen Gassen der Altstadt kanalisieren den Verkehr, Jodhpur ist daher ein wenig lauter. Folgt man aber den Wegen abseits der Hauptadern, erlebt man die Stadt wesentlich ruhiger, kommt mit den sehr freundlichen Einheimischen in Kontakt und kann eventuell sogar eine der zahlreichen unüberhörbaren indischen Hochzeiten mitverfolgen. Speziell Jodhpur ist eines der Eheschließungsmagnete, das selbst große Hochzeitsgesellschaften aus Delhi anzieht.
Bevor die Feierlichkeiten beginnen, reitet der Bräutigam auf einem weißen Schimmel begleitet von viel Tamtam durch die Stadt um seine Prinzessin zur Hochzeit abzuholen. Kaum ist man auf solch eine Hochzeit eingeladen, wird einem mehr Aufmerksamkeit zuteil als dem eigentlichen Brautpaar. Nach der Zeremonie wird mit Essen genauso wie mit Fragen bombardiert, was man in Berlin macht, wie einem Indien gefällt, warum man hier ist etc etc etc.
Selbstverständlich muss ein Foto (Blitzlichtgewitter!) mit dem Brautpaar geschossen werden und anschließend bekommt man als Single alle heiratsfähigen Damen im Alter von 15-50 per Handschlag vorgestellt, darunter auch die ein oder andere stark beharrte Eisenbahnerschönheit.
Speziell beim Essen ergänzen sich Arabien und Indien am interessantesten. Das umfasst die bereits erwähnten Süßigkeiten genauso wie die herzhafte Küche. Besucht man Jodhpur, so sollte man sich unbedingt mal im Indique Restaurant mit einem Silver Thali, wie es einst nur der Maharadscha serviert bekam, verwöhnt haben lassen. Deren Chicken Tikka ist Weltklasse und auch die Curries sind ganz großes Kino.
Man kann jedes ins Gericht eingeflossene Gewürz einzeln herausschmecken. Die Dachterrasse mit Blick auf das angestrahlte Fort (endlich wird in Indien nachts mal etwas beleuchtet!) und den Uhrenturm rundet das Ambiente ab, während die Schwalben den Abendhimmel durchschneiden. Dazu mehr im kulinarischen Artikel.