Eishöhlen und Fumarolen – Die vulkanische Seele Südkamtschatkas


Mutnowski – Schwefel, Feuer und Eis

Von den nördlichen Vulkanen wiedergekehrt, machen wir in Malki Station. Der Ort ist vor allem wegen seiner thermalen Quellen bekannt und wird von den Einheimischen am Wochenende gern zum Grillen auf- oder besser gesagt heimgesucht. Ein Bad im Thermalwasser ist dennoch sehr entspannend nach über zwei Wochen in der Wildnis und im Dreck. Von Malki geht es über Jelisowo und Paratunka gen Süden, wo bereits die Vulkane Mutnowski und Goreli auf uns warten. Und der Weg ist weitaus weniger beschwerlich als unser Vorankommen im Norden. Lediglich an den Vulkanen selbst wird es ein wenig holprig.

Wir beziehen Stellung, aber leider ziemlich weit unterhalb des Mutnowski Vulkans (Мутновская сопка), dessen Gipfelhöhe mit 2322 Metern angegeben wird. Unser Lager ist auf ca. 600 Höhenmetern, was bedeutet gute 1500 Höhenmeter und ca. 7km Distanz zurücklegen zu müssen. Wie wunderbar…! Der am Abend einsetzende Mix aus Licht, Wolken und teilweise stahlblauem Himmel ist grandios und zu späterer Stunde zieht auch der Gipfel des ca. 8km Luftlinie genau gegenüber liegenden Vulkans Goreli frei. Doch beide Vulkane sind zu weit entfernt um Nutzen aus dem Licht ziehen zu können. Schade, aber dennoch bleibt die Möglichkeit einen nahen kleinen Wasserfall ablichten zu können.

Angepikt und voller Tatendrang stehen wir ziemlich früh auf, schnüren unser Vulkangepäck und machen uns per pedes auf die Reise, 1500 Meter hoch und ca. 7 Kilometer weit. In den frühen Morgenstunden sind die kleinen Bäche noch nicht verdreckt vom sedimentreichen Schmelzwasser und es ist ein Hochgenuss aus den kleinen, teilweise mit einer dünnen Eishaut überzogenen Rinnsalen zu trinken. So wunderbar kann H2O schmecken!

Am Fuß des Mutnowski dominiert noch die Bergtundra mit ihren abertausenden von Moosbeeren, deren Früchte die Tautropfen wie Magnete festhalten. Weiter oben aber wird es steinig, teilweise messerscharf und glitschig hoch drei, da der Tau die Lehmschichten ordentlich aufgeweicht hat. Martin Rietze ist ein Phänomen. Eben noch steht er neben mir, ein paar Minuten später erkenne ich seine Umrisse wie sie nur noch schemenhaft auf dem obersten Kraterrand rumspazieren. Marc und ich quälen uns derweil durch die Schlucht durch die man Zugang zum zentralen, aktuell vierten Krater des Mutnowski erhält. Die Ausrüstung immer schwerer, Schritt für Schritt. Schimpfend und fluchend wie ein Rohrspatz, meckernd wie ein echter Berliner „meistere“ ich diese Passage bevor ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.

Während wir durch die Schlucht wandern, plätschert und rumort es unter uns nicht unerheblich. Alle hundert Meter fühlt man sich aufs Neue zum Toilettengang inspiriert. Das Innere des Mutnowski-Kraters ist ob seiner postvulkanischen Aktivität von einem riesigen Gletscher bedeckt, dessen Schmelzwasser manchmal offensichtlich, manchmal aber auch unterirdisch abfließt. Fauchend stinken uns große Fumarolen entgegen, die an ihren Austritten Schwefel zur Kristallisation gebracht haben. Das frühe Sonnenlicht taucht das Farbspiel des Mutnowskis in ein warmes intensives Licht und lässt jede andersfarbige Gesteinsschicht zum Hingucker werden.

Der Krater mit seinem Durchmesser von zwei Kilometern und ca. 400 Meter hohen Wänden ist gewaltig. Die aufgehende Sonne taut sukzessive das eigentlich überall versteckt befindliche Eis an und es wird noch glitschiger. Ohne gute Wanderschuhe ist man hier oben aufgeschmissen, man könnte sogar abrutschen und in den Gletscherablauf hineingeraten was sicherlich alles andere als gesund wäre. Im hinteren Teil des Kraters formt der hinab rutschende Gletscher sogar einen türkisfarbenen See. Ein Vulkan mit einem mächtigen Gletscher im Krater, mit einer derart interessanten Interaktion aus fauchenden Fumarolen und ewigem Eis ist wohl einmalig in der Welt.

Unsere Begleiterin Aljona tanzt geradezu über den glitschigen Schlick. Kein Wunder, sie ist leicht und zierlich, während unsere Schritte vom Gewicht des Fotoequipments befeuert relativ tief einsinken. Ob diese Kruste aus klebrigem Gesteinsmatsch je wieder von den Wanderschuhen abgeht…? Sieht nach Hammer und Meißel aus. Der Untergrund ist nicht allzu stabil, ergo sollte man auch nicht zu nah an die Fumarolen ran. Zum einen wegen ihrer Ausdünstungen (man weiß nie was aus dem Untergrund kommt und in welcher Konzentration), zum anderen wegen des manchmal recht dünnen Bodens.

Langsam geht es wieder bergab und zurück zum Base Camp. Durch die schmale Schlucht durch die wir den Krater betreten haben, geht es auch wieder zurück. Plötzlich erscheint am Horizont eine immense senkrechte Säule aus Wasserdampf und Gas. Eine Wolke ist das nicht. Der Goreli (Горелый) muckert rum. Unsere Schritte werden schneller in der Hoffnung das Spektakel voll und ganz sehen zu können, doch leider beruhigt sie der Ausbruch bevor wir das Ende der Sicht einengenden Schlucht erreichen. Mist…! Einer der Goreli-Krater besitzt einen heißen Gasaustritt dessen Glühen die Kraterwand durchaus vermag rot einzufärben. Am Abend nehmen wir den Vulkan unter fotografisches Feuer und versuchen genau jenes Glühen aus der Ferne vom Base Camp aus einzufangen. Pustekuchen, kein roter Schimmer mehr… Unsere Motivation und Laune sinkt in den Keller und ist jetzt genauso tief, dass sie der unter uns befindlichen Magmakammer die Hand schütteln könnte. Die Vermutung, dass das im Berg befindliche Magma signifikant absackte und dabei am Vormittag mehr Gas als üblich gen Himmel schickte, liegt sehr nah.

Doch zurück zum Mutnowski, dessen klassische Abstiegsroute wir verlassen und uns westlich orientieren, wo ein gut 80 Meter hoher Wasserfall in eine enge Klamm stürzt. All die kleinen sauberen Bäche die wir am Morgen auf dem Hinweg durchschritten sind nunmehr Rinnsale mit untrinkbarer brauner Brühe. Die Kraft der Sonne befeuert die Schmelze, welche nun wiederum durch mehr Wasser mehr Sediment mitschleppen kann. Vom dem Wasserfall vorgelagerten Hügel erhält das Auge eine ungetrübte Weitwinkelaufnahme des gesamten imposanten Vulkan und dessen immense Breite.Der optische Genuss wird jäh gestört durch etwas mir an der Hose Zottelnden. Keine Ahnung wo zum Geier der verlauste Hund herkommt, aber plötzlich ist er da. Alles Russisch dieser Welt interessiert ihn nicht, er weicht mir bis zum Erreichen des Camps nicht mehr von der Seite, wo ihn nur noch eine Packung Würstchen von mir zu trennen vermag.

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