Felsriesen und karibisches Blau – Die Berge und Seen der südlichen Alpen

Eine der prägendsten und spektakulärsten Landschaften Neuseelands sind die südlichen Alpen mit ihren Bergriesen und gewaltigen Bergseen. Aus dem Osten von Christchurch kommend, geben bereits der Lake Tekapo und sein Hausberg Mount John nebst Sternwarte einen Vorgeschmack wie eindrucksvoll die Landschaft der Südinsel werden kann. Weiter im Westen folgt der Lake Pūkaki an dessen nördlichem Ende Neuseelands höchster Berg, der Mount Cook thront und gleich „nebenan“ ist der malerische Lake Ohau mit seinen Sonnenuntergängen zu finden, an dessen Südende sich die Clay Cliffs, eine Art Bryce Canyon en miniature erheben. Den Abschluss bilden der Lake Wakatipu und das weltweit bekannte Queenstown, die Funsport-Hauptstadt der Südhalbkugel und Tor zum Routeburn Track.

Lake Tekapo und Mount John

Der Weg nach Süden lotst einen entweder über den State Highway 1 entlang der Küste oder aber es geht über die 70er Highways hinauf in die Berge. Letztere Route führt automatisch an den großen Seen der südlichen Alpen vorbei, so auch am Lake Tekapo, dem östlichsten der drei großen Gletscherseen der Region Canterbury.

Die Südinsel beherbergt acht der zehn größten Seen Neuseelands, welches insgesamt 775 Seen hat die mindestens einen halben Kilometer Länge messen. Doch zurück zum Lake Tekapo dessen Nachbarschaft dünn besiedelt ist. Daher hat sich auf dem Hausberg des Sees die Sternwarte der Universität von Canterbury eingenistet, denn der Nachthimmel wird hier fast gar nicht von künstlicher Beleuchtung verschmutzt.

Tekapo leitet sich aus der Sprache der Māori, von den Worten „taka“ (Schlafmatte) und „po“ (Nacht) ab. Und tatsächlich liegt der 27 Kilometer lange und bis zu 6 Kilometer breite, damit in Fläche 82 km2 messende und bis zu 120 Meter tiefe See ziemlich ruhig, sprich wie eine Matte auf 700 Metern über dem Meeresspiegel in der Landschaft herum. Aus ihm entspringt der Tekapo River, der zuvor allerdings noch das kleine Waitaki-Wasserkraftwerk passieren muss.

Unweit dieses Punktes steht die wohl meistfotografierte Kirche Neuseelands: die kleine Kirche zum guten Hirten, bzw. Church of the Good Sheperd die, zugegebenermaßen, ziemlich pittoresk vor bergiger Kulisse thront. Der Sonnenaufgang an diesem Tag ist unglaublich. Die Sonne zündet den gesamten Himmel an. Die Sonneneinstrahlung bringt auch das hinter der Kirche liegende Wasser aufgrund der mittransportierten glazialen Rückstände zum karibisch-blauen Leuchten. Dies lädt etliche Vögel zur Rast ein und schon von weitem hört man die Gänsemeute laut durch das Tal schnattern.

In der Nähe der Kirche hat sich ein Brauch entwickelt aus den glattgeschliffenen Steinen des „Strandes“ kleine Türme zu errichten. Manche von ihnen trotzen allen Regeln der Kunst, vor allem dem Wind und bleiben trotz Mannshöhe irgendwie stehen. Auch dieser Fleck, eine Art Stonehenge en miniature, ist einer der meistfotografierten Orte Neuseelands, was man trotz künstlichen Charakters angesichts der Landschaft als Model nebst Sonnenuntergang und imposanten Wolken mehr als verstehen kann.

Der Campingplatz in Tekapo ist voll; die dort Zeltenden sind es mittlerweile auch und so verbringe ich die Nacht in Economy Class erprobter Sitzhockstellung im Auto. Am Morgen danach falte ich mich erst einmal auseinander, lichte noch einmal die Kirche ab fahre anschließend auf den Mount John. Dieser ist nachts über geschlossen, der Lichtverschmutzung durch Autoscheinwerfer wegen.

Tagsüber aber kann man die Aussicht genießen und die Damen die dort oben das Café betreiben machen einen verdammt geilen Job, sowohl kulinarisch als auch preislich. Auf dem Weg dorthin treibt es dichte dicke Wolken über den See und die Lichtstimmung sieht eher danach aus als hätte der Menschheit letzter Stunde geschlagen, derart infernalisch wirkt die Szenerie. Dazu dann noch die Kuppeln der Sternwarte, fertig ist der Ort nicht von dieser Welt.

Lake Pūkaki und Mount Cook

Die Reise geht weiter, westwärts auf dem State Highway 8 zum größten der Gletscherseen, dem Lake Pūkaki. Bereits vom Südende aus kann man den König der südlichen Alpen erspähen, den majestätischen Mount Cook, Neuseelands höchste Erhebung. An diesem Berg und auch auf den Gletschern an der Westküste trainierte Sir Edmund Hillary für die Besteigung des Mount Everest.

Ein Besucherzentrum am Ende des State Highway 80 erinnert daran. Der Lake Pūkaki speist sich aus dem Schmelzwasser dreier Eisströme: dem Sefton-, Tasman- und auch Hooker-Gletscher. Der Sommer 2013 aber hat allen drei drastisch zugesetzt und der Terminus des Tasman-Gletschers ist sogar im Kilometerbereich zurückgewichen.

Am nördlichen Ende des Lake Pūkaki legen die Gipfel einem gehörig den Kopf in den Nacken. Obwohl der Cook alles überragt, ist es, von der Straße aus gesehen, die abartig steile Felswand des Mount Sefton. Sie riegelt die Welt gelinde gesagt ab und man betet förmlich dass die an ihr hängenden massiven Eisbretter und Schneemengen nicht abrutschen.

Eine runterklappende Kinnlade ist auch garantiert, weil dort die Südflanke des Cooks das Tal in zwei Hälfen spaltet: in das Tal des Tasman-Gletschers und das Hooker Valley, auf dessen Namensbedeutung man gespannt sein darf. Der Cook wird von den Māori „Aoraki“ genannt, was von Aorangi herrührt; „ao“ steht für Land, während „rangi“ Himmel bedeutet.

Doch die Sackgasse im Norden des Lake Pūkaki hat es auch anderweitig hinter den Ohren, denn wo kein Wasser dort viel Staub. Man schippt förmlich das Mehl des vom Gletscher zermahlenen Gesteins von der Motorhaube. Auch, weil die unsäglichen Wohnmobile, gesteuert von meist wenig vorausschauend mitdenkenden Menschen, der Meinung sind, gern alle Warnschilder ignorieren und jeden Trampelpfad befahren, sprich mit ihrem breiten Arsch alles dichtmachen zu müssen.

Dann steckt man auf dem Weg zur Lagune – unglaublich aber wahr – nicht nur mit unheimlich „netten“ Menschen fest die unkoordiniert umher rennen und multi-lingual ihren Ärger zum Ausdruck bringen, sondern schluckt auch noch ordentlich Staub… Feine Sache! Das Tal das der Tasman-Gletscher ausfüllt ist von eher lunarem Aussehen, entstammt nicht unbedingt dem TUI-Katalog und kann unglaublich unattraktiv aussehen. Alles ist grau: das Wasser, das Geröll der Seitenmoränen, die in den Staub gearbeiteten Wege; einzig die oftmals inadäquat gekleideten Touristen bringen Farbe an diesen Ort.

Derart viele Touristen fluten diesen Ort, das man am Nordende des Pūkaki, dessen Name so viel wie „gebündeltes Wasser“ bedeutet, auch schon mal im Stau stecken kann. Abgefahren! Im wahrsten Sinne des Wortes. Entspannter ist es daher ein paar Kilometer weiter südlich, wo ich auf einer kleinen in den Pūkaki hineinragenden Landzunge übernachte. Von dort hat man freie Sicht auf den Mount Cook, den Sefton und auch den Tasman. Wie weit man in den See „hineingehen“ kann ist allerdings erschreckend, denn gut 50 Meter der sonst Wasser bedeckten Uferzone sind furztrocken. Der anschließende Sonnenuntergang ist zwar fast wolkenlos, dafür aber streichelt das Rot des Sonnenlichts zart die den nackten Fels und die Eiskappe des Mount Cook Doppelgipfels. Was für ein Berg!

Kurz auf die andere Seite der Bergkette um Cook und Tasman gesprungen, rutschen auch dort gewaltige Gletscher hinab. Einen dieser Gletscher, den Fox Gletscher besuchte und bestieg ich wenige Tage später. Selbst vom Strand aus, wo die Tasmanische See die Insel küsst, sind die beiden höchsten Berge im Kiwi-Land zu sehen, besonders pittoresk aber wird es wenn sie sich im Waldsee Lake Matheson spiegeln.

In dieser Perspektive dominiert allerdings eher der Mount Tasman, dessen Gipfel wie ein kleines Matterhorn in den Himmel piekt. Den höheren Mount Cook kann man nur erahnen, da man lediglich den zwischen den zwei Hörnern namens Low und High Peak verlaufenden Sattel sieht. Abgerundet wird die Westseite der Berge durch den Blick auf den rechts verlaufenden, beeindruckend zerklüfteten Kamm des Fettes Peak.

Lake Ōhau und Mount Glenmary

Doch wieder zurück zur Ostseite der südlichen Alpen, wo es am Lake Ōhau im Westen des Lake Pūkaki glücklicherweise sehr viel untouristischer zugeht. Ōhau bedeutet bei den Māori „windiger Ort“ und als ob irgendjemand einen Schalter umgelegt, frischt der Wind am Spätnachmittag auf und bläst in Böen mit gut 6 bis 7 Sturmstärken.

Er peitscht die vom spätsommerlichen, klaren Sonnenuntergang farbgewaltig angemalten Sturmwolken über den mittlerweile karibisch-türkisch glühenden See. Ich entscheide mich direkt am Ufer des Sees zu übernachten, muss meinen Platz der Wahl allerdings zuerst von mehr als faustgroßen Kienäpfeln befreien. Die Sonne schickt Seitenlicht in den Nadelwald, nebenan rauschen die Wellen des Sees, dazu dieses Farbschauspiel… Was für ein Schlafplatz! Ein unweit wohnender und vor Neugier platzender Opa guckt vorbei wer da am Ufer zeltet. „Ich habe da hier jeden Tag“, grinst er.

Es ist himmlisch ruhig… Diese Idylle und das Kino des Sonnenuntergangs wird lediglich von immer heftiger werdenden Gezwitscher unterbrochen. Ein wild seinen Federschwanz spreizender Fan Tail kommt angeflogen und umkreist mich wie ein Kolibri.

Der Vogel schwebt, nein tanzt direkt vor meinem Gesicht herum, er beäugt mich und quatscht mich dabei aufgeregt voll. Der gefiederte Geselle scheint mir irgendetwas mitteilen zu wollen, so wie damals Lassie, die einem sieben Verletze an der alten Eiche, hinten links, meldet.

Dieses Spielchen – schnatternder Vogel vom Menschen kontinuierlich angeglotzt – läuft eine Weile so, dann aber ist er zack wieder weg; entschwunden durch das schier undurchdringliche Geäst der mich umgebenden Lärchen. Später im Vogelschutzgebiet nördlich Dunedin erfahre ich, dass Menschen Insekten aufscheuchen und der kleine Kerl genau darauf wartet: Auf ne dicke fette, vorm Deutschen flüchtende Fliege! Danach ist diese Zweckbeziehung umgehend beendet, vogelseitig.

Der Sonnenuntergang am Lake Ōhau zieht in Sachen Farben alle Register. Die Eiskappe des am Nordende des Sees thronenden Mount Glenmarys wird nebst allen Wolken von der Sonne in Szene gesetzt. Ein wunderschöner See der es vermag unglaublich intensiv leuchten zu können. An seinen Ufern sitzend kann ich für mich das erste Mal behaupten in Neuseeland angekommen zu sein.

Die Clay Cliffs

Nach dem Aufenthalt am Ōhau ging es für mich in Richtung Queenstown. Die Fahrt hinüber zur Tourismusmetropole Südneuseelands führt zum Teil entlang des surreal türkis leuchtenden „Abwasserkanals“ eines am Lake Pūkaki entspringenden Kanals, der wiederum einen Staudamm zur Energiegewinnung passieren muss. Diese Farbgewalt durch das sonnenversengte goldgelbe Grasland mäandern zu sehen kitzelt schon ordentlich auf der Netzhaut.

Auf einmal taucht ein Schild mit „Smoked Lachs“ im Schriftzug auf. Ich gehe in die Eisen, wende und lese dann auch noch Chinook, sprich Königslachs. Er ist zwar kalt und nicht heiß geräuchert, aber dennoch die Wucht in Tüten… Diesbezüglich hat mich meine Kamtschatka-Reise wohl für den Rest meines Lebens „versaut“ :-)

Entlang dieser Route passiert man unweit der großen Gletscherseen, genauer gesagt südwestlich davon, die Stadt Omarama, die mich prompt an Bananarama erinnert und einen Ohrwurm unsäglichen erzeugt. Kurz dahinter liegen wiederum die Clay Cliffs; eine von Erosion heimgesuchte Felswand, deren geologisch strukturell unterschiedliche Beschaffenheit jene Erosion verschiedenartig hat zuschlagen lassen. Man möchte meinen die Cliffs sind um die Ecke, aber irgendwie nimmt der Weg dorthin kein Ende. Ganz zu schweigen vom verdammten Staub.

Über die Zeit erschuf die Erosion also so etwas wie einen kleinen begehbaren Bryce Canyon, dessen Formen, je nachdem wie das Licht in die Säulengänge eindringt, in den wunderbarsten Erdtönen erstrahlen. Besonders am frühen Morgen, dem besten Zeitpunkt um dem zwischen den Säulen stattfindenden Kampf zwischen Licht und Schatten beizuwohnen, kann man die Clay Cliffs durchaus allein genießen da sich trotz des Wegweisers am State Highway 8 nur wenige Menschen an diesen Ort verirren.

Gesagt, getan. Zwischen den Säulen läuft es sich relativ einfach bis es irgendwann zu steil wird und man bei jedem Schritt nur noch abrutscht. Gleiches gilt auch für den Hang des Miniatur-Canyons, wobei man dort beim Abrutschen nicht auf Kies und dem Hintern landet sondern in den ganz mies mit Stacheln besetzten Sträuchern.

Lake Wakatipu und Queenstown

Bis Queenstown sind es ein paar Kilometer. Was auf der Karte recht nah beieinander liegend aussieht, kann durchaus in eine mehrstündige Fahrt ausarten. Die heimliche Hauptstadt der Südinsel liegt am Lake Wakatipu, einem noch größeren See der stolze 378 Meter tief und der zweitgrößte der Südinsel ist.

Um ihn ranken sich viele Māori-Legenden und so lässt sich der Name nicht eindeutig herleiten. Einige Sagen erwähnen einen Trog und ein Ungeheuer, andere Legenden satteln auf Te Raikaihaitu, den großen Māori-Vorreiter der die südlichen Seen aushob, auf. Was auch immer damals geschah, es schuf auch die Remarkables, eine imposante Bergkette die heute als Skigebiet genutzt wird und den See im Süden begrenzt.

Die Stadt an sich hat nur ca. 10.000 Einwohner, ist aber beachtlich laut, auch nachts. Nirgendwo anders in Neuseeland bin ich geräderter und brummiger aufgestanden als in Queenstown. Auch konfrontierte mich die Stadt gemessen an meinen anderen Stationen mit den höchsten Preisen für Übernachtung und Essen. Apropos Verpflegung: Fragt man danach, gibt es wohl niemanden der einen ausreden lässt ohne dabei das Wort „FergBurger“ zu erwähnen. Dort einzukehren und sich einen der barbarisch großen Burger reinzuziehen ist wirklich geil, am besten nach einer kalorienzehrenden Bergtour :-)

Im Norden des Lake Wakatipu befindet sich Glenorchy, eine Kleinstadt die Vielen als Eingangstor zu einem von Neuseelands schönsten Wanderrouten dient: dem Routeburn Track. Es ist ein herrlicher Tag, mal wieder. Mal wieder gibt es nur Sonne und nur wenige Schönwetterwolken am Himmel deren Schatten sich auf den umliegenden Berghängen wiederspiegelt. Das Wasser glitzert. Der Sommer hat Südneuseeland im Griff. An jenem Eingang zum Reich der Gipfel und des Eises steigt der schroffe Mount Earnslaw auf und auch zu seinen Füßen hinterließ die Sonne verbranntes Grasland.

Die mitten in diesen Wiesen stehenden, mit Flechten, Moosen und vor allem Dornen besetzten knorrigen dunklen Bäume könnten neuseeländischer nicht aussehen. Auch hier sorgt die Gegenwart von Gletschern für einen nicht unwesentlichen Staubanteil in der Luft denn der von den Bergen abgekühlte Wind sinkt ab, peitscht über den Sander und wirbelt alles auf.

Der Schlauch des Lake Wakatipu, der See liegt immerhin inmitten von Berghängen, beschleunigt diese Luftbewegung ungemein. Das Groh der Touristen Queenstowns aber gibt sich Extremsportarten hin; Bilder von Bungee Jumping, Paragliding und Gebirgsbäche durchpflügenden Jetbooten sind allzu typisch für diese Gegend. In Queenstown endet meine Reise durch die südlichen Alpen welche im wahrsten Sinne des Wortes am Mount Cook gipfelte und spätestens am wunderschönen Lake Ohau war ich vollends in Neuseeland angekommen.

Unweit der südlichen Alpen warteten zwei weitere große Highlights auf mich: Zum einen das Abtauchen in die Meeresarme des Fiordland-Nationalparks, um Albatrosse beobachten zu können, die Flugkünstler der südlichen Meere, und das Entdecken der Eiswelt des Fox Gletschers.

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