Fidschi – Schmelztiegel der Südsee


Im Reich der Kobra

Ja, Fidschi wird vom Militär regiert, wovon man als Reisender aber herzlich wenig merkt. Seit 1987 ist das der Fall, da in diesem Schicksalsjahr die generell ökonomisch starken Inder die Wahlen gewannen, dies aber den eigentlichen Eigentümern des Landes, den Melanesiern, nicht so richtig gefiel. Ein westlich arroganter Standpunkt würde den Putsch jetzt sicherlich als „nationalistisch“ oder „rassistisch“ verkleiden, was dem melanesischen Naturell aber alles andere als entspricht. Eher das Gegenteil ist der Fall, denn egal wo man lang läuft surft man auf einer Welle der guten Laune. Jeder lächelt, jeder grüßt, jeder freut sich. Das sich diese Kultur selbst erhalten und nicht den Indern geopfert hat, ist sooo schlecht nicht.

Auf der zweitgrößten Insel des Fidschi-Archipels, Vanua Levu, wird der indische Einfluss noch deutlicher; hier kristallisiert sich auch optisch heraus, dass Zuckerrohr, der Grund der indischen Anwesenheit, eine große Rolle spielt. Am Flughafen von Labasa angekommen wird schnell klar, mit Bussen geht hier nicht viel, ich brauche ein Taxi. Ich nehme die Taxifahrer ins Gebet und handle einen guten Preis für eine Tagestour aus, denn der Ort meines Begehrs ist nicht in 20 Minuten erreicht. Natürlich bekam ein Inder den Zuschlag der mich aber erst nach einem Stopp bei sich Zuhause und dem Rumreichen des Deutschen in der Familie nebst Abschiedszungenkuss durch die Oma – eigentlich sein Ehefrau (!!!), wie sich später herausstellt, so oder so aber ein Herpes- herbes Erlebnis – dann auch wie vereinbart in die Berge außerhalb Labasas bringt.

Dort liegt der Naag Mandir, der Schlangentempel oder auch „Tempel des wachsenden Steins“; eine quietschgelbe und nicht minder obszön-rosa-farbene Erscheinung sowie Pilgerziel für alle Hindus im Umkreis. Er ist um einen großen Findling gebaut, indem die Hindus die Form einer angreifenden Kobra sehen. Schlangen spielen bei den Hindus eine wichtige Rolle. Gott Shiva zum Beispiel hat eine Schlange um seinen Hals und Gott Vishnu schläft sogar auf einer fünfköpfigen Variante dieses Reptils. Goldener Tempel, Rattentempel und Taj Mahal – auf meiner Reise durch Nordindien habe ich Einiges in Sachen Spiritualität erlebt und bin daher wie geplättet hier, mitten im Pazifik, eine Pilgerstätte vorzufinden, die indischer nicht hätte sein können.

Betritt man die Anlage, heißt es erst einmal: Schuhe aus! Im kompakten Tempelinneren werden Opfergaben wie Milch, Blüten und Kokosnüsse dargebracht, bevor die Gläubigen murmelnd und mit zum Gebet zusammengefalteten Händen den Stein umrunden, während der Priester dazu im Takt der Umrundungen eine Glocke schlägt und die Atemluft konstant mit Weihrauch schwängert. Nach x-maligem Umrunden des Steins erklimmen die Gläubigen dann eine 108 Stufen lange äußere Treppe hinauf zum Schrein der Götter Shiva und Parvati. Abgefahren, in einem sehr positiven Sinne, denn ich fühle mich als hätte man mich auf den Subkontinent, irgendwo zwischen Kalkutta und Mumbai gebeamt.

Inder fahren alles andere als zimperlich und so bringt mich auch mein indischer Taxifahrer schneller als mir lieb ist gen Savusavu, einer kleinen Stadt an der Südküste Vanua Levus, die genau wie Suva an einem Naturhafen liegt, einem Anlaufpunkt für Südseesegler und auch Hafen für den Fährbetrieb. Wenn ich wollte könnte ich mit der Fähre gen Suva zurück, eine Zyklonwarnung für Ost-Fidschi aber lässt die Fähre gar nicht erst auslaufen. Also geht es wieder mit dem ATR, einer Turbopropmaschine der Pacific Sun, zurück gen Nausori, dem Flughafen nahe Suva.

An diesem stickigen Sonntagnachmittag, mit 34°C und einer Luftfeuchte von mehr als 90%, folge ich den Spielen auf dem Sportplatz direkt vor dem Regierungsgebäude. Egal wie heiß es auch ist, Cricket, Volleyball und vor allem Rugby werden hier groß geschrieben. Es spritzt förmlich vor Spielfreude und eine Runde mitzuspielen ist überhaupt kein Problem, wobei man beim Rugby schon was mal einstecken können muss ;-)

Ich gehe wieder zur Uferpromenade Suvas wo ein in der Abendhitze laufender Rummel Kinderherzen höher schlagen lässt. Alle Karussells sehen stählern-archaisch aus und rattern von ohrenbetäubenden Dieselmotoren betrieben vor sich hin, den Kindern aber zaubert’s ein dickes Grinsen ins Gesicht.

Wo viele Menschen zugegen sind, ist ein weiterer Einwanderer nicht weit. Eigentlich ist er sogar oftmals der Erstkontakt wenn man aus dem Flieger steigt. Gemeint ist der freche Hirtenmaina, ein lauter Starenvogel ursprünglich aus Asien stammend, der den Weg in den Südpazifik gefunden hat. Dort breitet er sich massiv aus und schaffte sogar den großen Sprung bis ins 3 Flugstunden entfernte Neuseeland, wo er wegen seiner Omnipräsenz von Unwissenden gern mit dem Tui verwechselt wird. So spaßig es ist diesen Vogel zu beobachten, so gefährlich ist diese invasive Spezies für die Ökosysteme des Südpazifiks.

Die mittlerweile einsetzende Abendsonne steigert das ohnehin bereits intensive Rot der Flammenbäume ins Unermessliche. Wunderschön, der Himmel fängt an zu brennen und das untergehende Zentralgestirn taucht die vorbeiziehenden Wolken, welche in der Regenzeit sehr imposant sind, in die unterschiedlichsten Farben während die Sichel des Monds, scheinbar angetrieben vom sonoren Brummen der chinesischen Fischerboote, anfängt seine Bahn durchs Firmament gen Horizont zu ziehen, wo sich unter anderem die Silhouette  des Joske’s Thumb abzeichnet, einem Berg, dem Zuckerhut Fidschis.

Mit Blick auf diesen Berg genieße ich in Suva diverse richtig gute Abende, oftmals im Beisein richtig guten Essens. Die lokale Küche, und im speziellen wenn es die eingangs bereits erwähnte Melange aus lokaler und indischer Küche zu essen gibt. Zum Beispiel Taro oder aber Dalo, beides lokale Wurzeln, die man im indischen Gewürzmantel oder aber als Zutat in Curries bekommen kann. Hammer!

Unweit des pittoresken Joke‘s Thumb ist Pacific Harbour gelegen, ein für Touristen erschaffenes Städtchen, mit touristisch unverschämten Preisen. Derart Artifizielles lasse ich links liegen denn das unweit von Pacific Harbour gelegene Anwesen eines der letzten Menschenfresser ist wesentlich interessanter. Das spitz zulaufende Dach seines Wohnhauses war einst von den Schädeln der über 90 Menschen geziert die sich dieser Mann bis in die späten 1980er Jahre hat schmecken lassen. Gruselig, aber des angeschlossenen kleinen Museums wegen dreimal authentischer und informativer als der im Nachbarort dargebotene touristische Müll.

Auf dem Weg von Suva nach Pacific Harbour sehe ich viele Felder auf denen atypischerweise eher westliches Gemüse und nicht Taro oder Dalo angebaut wird. Generell gibt’s auf Viti Levu viele dieser Felder, die mein Taxifahrer Anil als „New China“, als neues China, betitelt. Das Reich der Mitte subventioniert andere Länder nicht mit Geld, so wie es der Westen macht, sondern baut wichtige zivile Infrastruktur, wie z.B. ein neues Krankenhaus.

Dafür erhält China Fischereirechte oder aber das Recht Gemüse anzubauen. Die Bauern sind zwar Einheimische, doch das Angebaute geht direkt in den Export. „Das ist der Preis den wir zahlen. Sie dürfen unser Land und unsere Fischgründe plündern“, fährt Anil fort.

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