Taupō – Vulkanzone und Identitätsstifter der Maōri
Vom Wanderer zum Schutzengel
Am liebsten nähere ich mich dem Tongariro Vulkankomplex von Norden her, über die State Highways 41 und 47. Zum einen hat man von der 41 einen schönen Ausblick auf den Tauposee, zum anderen liebe ich den Moment, wenn auf der 47 der Wald endet und urplötzlich die schiere Wucht der Tongariro-Nordwand vor einem steht. Im Licht der sinkenden Sonne ist dieser Anblick schlichtweg atemberaubend. Dieser Anblick haute mich bereits bei meinem ersten Tongariro-Besuch aus den Latschen; damals sogar mit recht aktiven Te Maari Kratern an der Nordseite.
In der Jugendherberge von National Park Village angekommen ist mal wieder halb Deutschland anwesend. Lediglich ein verschüchtert drein guckender Chilene lugt aus der Masse der Teutonen, die allesamt natürlich auf Deutsch über das Erlebte schnattern, den Alpine Crossing. Dieser Tag war sicherlich schön dort oben, der Folgetag aber ist wettermäßig weniger optimal. Dicke Wolken hängen über dem Massiv, was einige Verwegene dennoch nicht davon abhält die Wanderung trotzdem zu starten. Nun ja, die Wolken sprechen eine eindeutige Sprache, diese Menschen werden definitiv nass werden…
Der Tongariro Alpine Crossing ist schlichtweg DER Wanderweg, den nahezu jeder Neuseelandurlauber läuft und der, selbst wenn man Neuseeland bereits besucht hat und man ihn schon kennt, es durchaus wert ist ein zweites oder drittes Mal gewandert zu werden. Ich warte bis zum Nachmittag. Das Wetter klart auf, die Vorhersage sieht gut aus und gegen 15-16 Uhr bekommt man oben auch wieder einen Parkplatz. Mein Plan: mit dem Supertele „bewaffnet“ will ich eine neue Vulkanperspektive erschließen und auf dem Tongariro übernachten, so wie auf dem benachbarten Ruapehu Vulkan im März 2013.
Der Nachmittag hat als Beginn der Wanderung den Vorteil den Besucherstrom eher gegen sich gerichtet zu haben, sprich man läuft hoch während Horden an normalen Tagesbesuchern den Abstieg in Angriff nehmen. Gleichzeitig kann man Nutzen aus dem wunderschönen Licht der tief stehenden Sonne ziehen weil oben angekommen niemand mehr zugegen ist. Und so tragen mich meine Füße, beflügelt von der Motivation den Tongariro wiederzusehen, schnell auf den Berg, auch des nunmehr einsetzenden herrlichen Streiflichts wegen, dass von Westen kommend die Vulkankegel streichelt. Der Weg zum Gipfel des eigentlichen Mount Tongariro, abseits der Hauptwanderroute, bietet ein paar einmalige Blicke auf den Blue Lake, von dem aus sich der Tongariro Crossing genannte Wanderweg seinem nördlichen Ende, der Ketetahi Hütte nebst gleichnamigen heißen Quellen, zuneigt.
Das farbenfrohe Gestein wird vom Licht der sich senkenden Sonne entflammt und auch das zentrale Plateau, so gesehen eigentlich ein Becken, zwischen Ngauruhoe und Tongariro, erscheint herrlich kontrastiert. Ein Traum für jedes Weitwinkelobjektiv. Auf dem knapp 2000 Meter hohen Gipfel des Tongariro angekommen, eröffnet sich die beeindruckende Perspektive am Kegel des Ngauruhoe vorbei auf den Kraterbereich des mächtigen Ruapehu gucken zu können. Natürlich ist das „nur“ der Blick auf die vereiste Außenwand, da sowohl Tongariro als auch Ngauruhoe deutlich kleiner sind als der Ruapehu. Heißt, diese Berge sind hoch und stehen ziemlich exponiert auf der neuseeländischen Nordinsel rum, was sie anfällig für Wetter jeglicher Art macht.
Und genau DAS merke ich bereits nach dem Anstieg zum Red Crater. Kaum habe ich den zum Gipfel des Tongariro führenden Kamm erreicht, bläst der Wind ordentlich. Im Laufe der Zeit nimmt er sogar zu und wird kälter. Das passt zwar nicht zur im Tal vorliegenden Wettervorhersage, aber die Realität sieht anders aus. In Böen erreicht es hier oben sogar satte 7-8 Windstärken. Wird man davon erwischt, wird man kurzzeitig sogar aus dem Gleichgewicht gebracht. Realistisch eingeschätzt würde mir dieser Wind in der Nacht ein ziemliches Problem kredenzen, weshalb ich schweren Herzens entscheide wieder den Heimweg anzutreten.
Die Dämmerung schickt sich bereits an als ich den „wunderbaren“ Anstieg zum Red Crater wieder hinunter stolpere, gen Zentralplateau. Dort, im Windschatten, höre ich plötzlich etwas stöhnen und traue meinen Augen nicht. Da liegt ein junger Kerl zusammengekauert hinter einem Stein. Dann geht alles sehr schnell… Ich schnappe mir sein Handy, wähle 111. Während ich vom Vorfall berichte, sehe ich unten schemenhaft zwei Menschen laufen und puste in die Bergsteigerpfeife als gäbe es kein Morgen. Dazu ein paar Lichtsignale und zack hatte ich zwei Helfer. Mittlerweile habe ich einen Arzt am anderen Ende des Telefons der versucht eine Ferndiagnose zu machen. Darüber, dass ich dem kauernden Kerl eine IBU und gesalzenes Wasser gegeben habe, war der Arzt nicht erfreut, aber der Kerl kann jetzt immerhin schon wieder klar artikulieren. Die zwei Helfer sind den Anstieg zum Red Crater hoch gesprintet während ich mit dem Piloten verbunden werde. Präzise, immerhin war ich mal Fallschirmjäger, kläre ich die Crew über die Windverhältnisse hier oben auf. Abseilen kommt nicht in Frage, irgendwie müssen wir den Kerl also nach unten bringen.