1986 – Die nukleare Hölle Tschernobyls und der Fuchs der Geisterstadt Prypjat
Zu Besuch bei der Monster-Antenne
Die Reaktoren von Tschernobyl produzierten so viel Strom, dass das sowjetische Militär in der Nähe eine Anlage erbaute, die einen nicht geringen Teil jener Elektrizität abzwackte. Die Rede ist von einer 150 Meter hohen und unglaubliche 750 Meter langer Antennenkomplex der auf den Namen „Duga 3“, NATO-Codename Woodpecker hört.
Dieses kleine Antennchen ist so krass und groß, dass es jedwedes Weitwinkel sprengt. Es ist die einzige noch erhaltene von ehemals drei Anlagen. Sie konnte über den Horizont lauschen und sollte den Startimpuls von US-Amerikanischen Raketen wahrnehmen, wurde aber nie außerhalb des Testbetriebs gefahren. Die zur Bedienung dieses supergeheimen Monsters abgestellten Soldaten wohnten mitten im Wald in einer Siedlung namens Tschernobyl-2.
Tschernobyl ist ein Symbol für den Niedergang der Sowjetunion; einem Staat, in dem zu jener Zeit progressiv-transparente Kräfte und konservativ-autoritäre Strukturen genauso aufeinander prallten, wie Atomkerne im Reaktor Nummer 4. Leidtragende sind Ungeborene und Kinder, deren Missbildungs- und Krebsrate nach oben schnellte wie ein Quecksilberthermometer bei Kontakt mit siedend Wasser. Das genaue gesundheitliche Ausmaß der Katastrophe ist unbekannt da zu viele Tode statistisch natürlichen Ursachen zugeschrieben wurden.
Gelernt wurde aus dem Nuklearunfall wenig bis gar nichts. Helmut Kohl ließ in der BRD freudig weitere AKW errichten und Madam Merkel benötigte sogar eine weitere Nuklearkatastrophe, Fukushima, um gesetzgeberisch wieder den Zustand herzustellen, den die CDU zuvor zerstörte, den Atomausstieg. Die CDU ist nichts weiter als eine westdeutsche SED.
Welch Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet der Ministerpräsident des von Tschernobyl damals am stärksten kontaminierten Bundeslands, König Horst Seehofer von Bayern, heute einen eindeutigen, demokratischen Mehrheitsbeschluss zur Energiewende derart ignoriert, dass er die Atomkraft unmissverständlich protegiert. Aber da sind wir schon wieder bei den christlich-sozialen Gutmenschen angekommen, die lediglich von Demokratie labern um Wahlen zu gewinnen. Oder wie Andreas B. Scheuer(t), Generalsekretär der CSU, so schön sagte: „Ja wenn ich vor jeder Gesetzgebung verfassungsrechtliche Bedenken anmelde, dann kann ich hier den parlamentarischen Betrieb einstellen.“ (Zitat aus einem Interview mit dem Sender n-tv)
Thematisch wieder in Tschernobyl angekommen, gehen wir in die Kantine und damit durch den Kontaminationsdetektor. Jedes Mal wenn das Ding auf Grün schaltet, atme ich auf. Wir betreten den Speisesaal. Scheppernd reflektiert das Hallendach einen satten Furz. Leicht ertappt dreinblickend, schüttet mir die Köchin das Tablett besonders voll. Es gibt Borschtsch, Salat, Kotelett mit Kartoffelbrei und für die Hüften ein paar gebratene Quarktaler in Sirup ertränkt.
Meine Frage jedoch, ob ich sie fotografieren dürfte, prallt an ihr ab wie ein Flummi an der Berliner Mauer: unbeantwortet und mit einem Gesichtsausdruck, der jegliche Stimmung killt. Wie gesagt, das Fotografieren in der Sperrzone ist so ne Sache…
Ich persönlich danke all jenen Menschen, die, egal ob freiwillig oder befohlen, ihr Leben und ihre Gesundheit opferten um die nukleare Katastrophe von Tschernobyl einzudämmen. Ihr habt maßgeblichen Anteil daran, dass die radioaktiven Spaltprodukte Tschernobyls zum großen Teil dort geblieben sind wo sie sind, unter dem rostenden Sarkophag im Norden der Ukraine.