Eine heiße Nacht in Hukuntsi… Geschichten aus der Kalahari-Wüste
Magische Kalahari, ein Land der Kontraste – oben im Norden, wo der Okavango in ihr versickert, kann sie genauso grün und üppig sein, wie sie rotbraun und trocken im Süden daherkommt. Über mehrere zehntausend Quadratkilometer verteilt, beherbergt sie einen der größten Wildbestände der Welt. Dank Wildreservaten und Nationalpark sowie einiger weniger Buschwege, darf der Mensch am Rand dieses Riesen kratzen. Ansonsten bleibt die Kalahari das was sie ist, ein Refugium für Flora und Flora, für die Kleinsten genauso wie für Großkatzen.
CKGR – Der weltweit zweitgrößte Nationalpark
Entlang des Weges in das mit fast 53.000 km² messende riesige Central Kalahari Game Reserve (kurz: CKGR) vermehren sich die Aussagen, dass man wohl seinen Camp Ground reservieren muss. „Hmm, dann muss das wohl so sein“, denke ich mir langsam aber sicher, auf der anderen Seite sind wir aber in Afrika, da geht alles. Und so setze ich meinen Weg fort, um über den Südwesten in die zentrale Kalahari vorzudringen. Der Weg ist gut doppelt so lang als die nördliche Route, weit und breit aber ist keine Sau zu sehen; was gut ist, denn so bekomme ich ohne Reservierung meine Camp Site.
Im Westen Botswanas mache ich meine ersten eigenen Erfahrungen Klicksprache zu sprechen. Das Wandern des Wortes „Xade“ (wobei das X hier für einen schnalzend ausgesprochenen Laut eines Dorfnamens steht) über meine Lippen avanciert dabei zur Lachnummer. Ob meiner Aussprache gucken mich alle Schwarzen verdattert an als ich nach jenem Dorf frage. „Shit, hoffentlich habe ich jetzt nichts über seine Mutter gesagt“, schießt mir durch den Kopf. Das Wiederholen der Einzelwörter Xade, Village und Gate beschert mir dann doch die erhoffte Wegbeschreibung.
Mein Jeep wirbelt den Staub auf wie kein zweiter und zieht kleine Drecktornados hinter mir her. Die vom Südwesten ins CKGR führende Schotterpiste erinnert mich an meine Zement- und Kalksteinstaub-geprägte Kindheit in Rüdersdorf. Unvergessen ist das Spielen im dortigen Tagebau und die auf mich herabsengende Sonne. Stundenlang fahre ich schnurgeradeaus durch eine Szenerie, die dem Wort „platt“ wohl als Definitionsgrundlage diente. Um abends kurz vor Sonnenuntergang an der südlichen Camp Site anzukommen muss ich mich sputen, während sich links und rechts von mir spontan imposante Wolken zusammenballen, donnernd abregnen und den ein oder anderen Regenbogen zurücklassen.
Mein Dachzelt ruft und ich gehe mit dem Gebrüll der Löwen ins Bett um bei Sonnenaufgang fit zu sein. Mitten in der Nacht aber höre ich direkt neben mir auf dem Dach einen Schrei, der an die Alien-Filme oder aber Palliativstation eines Berliner Krankenhauses erinnert; als ob jemand seinen letzten Atemzug herausschreit. Adrenalin schießt ein. Ich bin hellwach. Sofort. Hyänen, Schakale, Löwen, all das kenne ich, aber was zum Teufel ist das?! Und wie kommt es aufs Dach?! Der Bolzen in meiner Hose lässt sich erst beruhigen nachdem dieses Vieh nach mehrmaligem Schreien wegfliegt. Uff, es war ein Vogel; ein merkwürdiger zwar, aber ein Vogel…
Am Morgen danach sattle ich meinen Jeep um die nächsten drei Tage in der zentralen Kalahari unterwegs zu sein. Entlang des Weges fliegen immer wieder diverseste Greifvögel auf, von Falken, über Habichte bis hin zu einem Sekretär. Dieser äußerst scheue Vogel stapft auf der Suche nach Schlangen mit seinen Stelzfüßen durch die Savanne. Diese Kriechtiere sind seine Primärnahrung. Mit seinen Stelzbeinen trampelt er die Schlange tot ohne Gefahr zu laufen dabei selbst gebissen zu werden. Ähnlich majestätisch ist die Riesentrappe, die, wenn man ihr zu nah kommt, beim Flüchten unter Beweis stellt Afrikas größter flugfähiger Vogel zu sein.
Die ohnehin bereits flache Landschaft wird beim Betreten der kleinen lokalen Salzpfannen sogar noch flacher. Einzeln stehende Bäume wirken ob dieser Plattheit schon wie Berge. In genau jenen Salzpfannen aber tummelt sich das Leben. Heerscharen von Gazellen grasen oder rasten im Schatten des Gebüschs während Straußenfamilien an Ihnen auf der Suche nach Futter vorbeiziehen. Größere Ansammlungen von äußerst anpassungsfähigen Spießböcken (Oryxantilope) und Streifengnus, die ihre Jungen gerade erst zur Welt brachten, sind eine Augenweide. Man muss beim Fahren echt aufpassen nicht irgendein Tier, sei es noch so klein, zu überrollen!
Ich fahre nicht nur durch unendlich erscheinende Salzpfannen und Savanne, sondern auch entlang enormer Antilopenbestände. Neben mir kreucht und fleucht es nur so im Gebüsch. Aufgeregt springen Steinböcke wild Haken schlagend von dannen. Es ist schier unglaublich, dass die Wildhüter DAS als unterentwickelten Bestand bezeichnen. Leo, ein im CKGR arbeitender Ranger, erläutert mir, dass es vor 2-3 Jahren in der gesamten Kalahari ein großes dürrebedingtes Wildsterben gab. Die Kadaver lagen nur so links und rechts des Wegesrands. Und da jene Vierbeiner Nahrung und Existenzgrundlage der Fleischfresser sind, wimmelt es auch nicht so wirklich an Prädatoren. Wie muss das erst rappeln in der Kiste wenn die Wildbestände wieder ihre alte Stärke aufweisen???
Plötzlich taucht ein Schwarm großer Vögel über mir auch. Ihre Schwingen spenden so viel Schatten, dass es für einen kurzen Moment spürbar kühler wird. Im Gegenlicht der Sonne kann ich sie nicht erkennen, wohl aber nachdem sie gelandet sind. Eine derart große Gruppe von Adebaren, sprich Weißstörchen ist mir noch nicht vor die Augen gekommen. Sie staksen allesamt hochhackig durch das Grasland der Deception Pan und mümmeln größere Insekten und auch Skorpione in sich rein. Abgerundet wird dieses Bild europäischen Besuchs durch einen Regenbogen, der sich ob eines Gewittergusses im Hintergrund aufspannt.
Auch am Boden wuselt das Leben. Borstenhörnchen halten erst Ausschau um dann fluchtartig davon zu pesen. Man muss echt höllisch aufpassen keinen dieser kleinen Kerle zu überfahren, denn sie flitzen derart kopflos davon, dass sie mehrfach direkt vorm Reifen kreuzend rennen. Auch die zahlreichen Weißflügeltrappen sind unüberhörbar. Fühlen sie sich gestört, fliegen sie mit einem laut scheppernden Geschnatter davon. Dieses schredderartige Geräusch dient anderen Tieren als Warnsignal, und zack sind sie alle weg… Die Tage in der Central Kalahari vergehen schnell, leider ohne Sichtung von Großkatzen. Ich höre sie wenn dann nur. Im trockeneren Kalahari Transfrontier Nationalpark soll man da bessere Sichtungschancen haben. Also geht’s dorthin!