Eine heiße Nacht in Hukuntsi… Geschichten aus der Kalahari-Wüste
Eine heiße Nacht in Hukuntsi
Es ist schon spät am Abend als ich in Hukuntsi, dem nördlichen Tor zum Kalahari Transfrontier Nationalpark eintreffe. In Afrika wird es bereits kurz nachdem die Sonne hinterm Horizont verschwunden ist buchstäblich zappenduster. Auf weitere zwei Stunden Fahrt habe ich keinen Bock und so suche ich mir eine Unterkunft. Ich finde genau: eine. Der Preis für die Übernachtung ist schnell ausgehandelt. Ich esse etwas zu Abend während ich mich daran mache meinen kleinen Kühlschrank vom halben Kilo Mayonnaise – in Afrika gescheite Butter zu bekommen ist ein Ding der Unmöglichkeit und tagelang trockenes Weißbrot runter zu würgen steigert nicht gerade die Moral – zu befreien, dass sich während einer holprigen Fahrt im Kalahari Central Game Reserve verselbständigt hatte.
Nachdem diese veritable Schweinerei beseitigt ist, gehe ich umgehend in mein Zeltbett denn man wacht automatisch mit der Sonne zu Sonnenaufgang auf. Zu mir gesellt sich der Security-Typ, der sich in Erfüllung seiner Pflicht unmittelbar neben den einzigen Gast postiert, also direkt neben meinen Jeep. Das ist grundsätzlich ok, allerdings stimmt er ein circa zweistündiges Pfeifkonzert an das eine Qualität aufweist, als hätte ein Vierjähriger gerade das Spitzen der Lippen entdeckt. Höflich aber bestimmt weise ich ihn auf die Güte seiner Darbietung sowie mein Ansinnen schlafen zu wollen hin. Der Security-Typ entfernt sich und beglückt scheinbar jemand anderen mit seinen Künsten. Er hätte mal gleich die vor meinem Zelt Schlange stehenden Drecksmoskitos, die heute Nacht allesamt vom Deutschen essen wollen, mitnehmen sollen. Das hochfrequent sirrende Fluggeräusch hält wach und auch die Temperatur tut ihr Übriges.
Es ist immer noch gute 30°C warm und ich wälze mich von einer Seite auf die andere. Auf dem Grundstück nebenan geht die Tür auf. Der Nachbar setzt seine noch junge Töle vor die Tür weil der Kläffer drinnen wahrscheinlich genau das machte, womit er in den nächsten 4 Stunden draußen ohne nennenswerte Unterbrechung fortfährt: kläffen und rumjaulen. Keine Ahnung was der tollwütige Drecksköter nachts so sieht und hört, aber er quietscht in einer Tour rum. Dieses Trauerspiel wird eigentlich nur unterbrochen, wenn einer der nahen Esel rumquiekt. Das winselnde Gegröle dieser faulen Vierbeiner erinnert eher an das Stöhnen einer ortsansässigen Altnutte, die gerade erfolgreich zum Höhepunkt genagelt wurde.
In der irrigen Annahme um 1:30 Uhr ginge die Sonne auf, stimmen die lokalen Hähne in das Hund-Esel-Intermezzo ein. Ein Glück gibt‘s hier keine Katzen, denn dann wären die Bremer Stadtmusikanten wiedervereint. Irgendwann zwischen 3 und 4 Uhr nachts, die Temperatur ist endlich ein wenig gesunken, erlebe ich 10 Minuten Tiefschlafs, der wiederum jäh vom benachbarten Kläffer zersägt wird. Gedanken an Hattori Hanzo Schwerter, Tränengas und Atombomben blitzen in meinem schlaftrunkenen Hirn auf… Die darauf folgende Schlafphase ist nicht sonderlich von Erholung geprägt. Ich wache wie gerädert auf und setze mich gen Süden in Fahrt gen Mabuasehube-Tor. Auf halber Strecke bin ich aber hellwach. Großkatzen! Endlich! Ich sehe sage und schreibe vier Geparde über die Straße streifen. Das verfluchte Nageln des Dieselmotors verscheucht die Tiere aber wieder. Leider. Entlang des Weges sichte ich Oryx-Antilopen, wild davon springende Steinböckchen sowie Impalas, Springböcke und seltenere rote Kuhantilopen.
Plötzlich treffe ich auf eine riesige Gruppe von Straußen, mit unzähligen Küken… Ein Vogel kann das unmöglich geleistet haben… Die Kleinen flüchten nicht nach links und auch nicht nach rechts sondern rennen immer schön vor dem Jeep davon, direkt vor der Motorhaube. Man muss tierisch aufpassen keines der Tiere zu überfahren. Bemerkenswert zu sehen ist, dass das Straußenmännchen, und damit der Aufpasser Nummer eins (!!), sich als allererstes verpisst und die gut 25 rennenden Jungvögel ihrem Schicksal überlässt.
Die Kalahari wird hier im Südwesten Botswanas deutlich trockener und dorniger als sie es im Zentrum des Landes ist. Die orange Farbe des Bodens dominiert, sticht ins Auge und reicht bis ins benachbarte Südafrika und Namibia. Wieder führt der Weg entlang der Salzpfannen und den teilweise künstlichen Wasserlöchern an denen sich die Vogelwelt vergnügt. Heerscharen von Tauben reiten genauso ein wie ein Paar imposanter Gaukler-Adler. Erst sehe ich die unscheinbaren Jungvögel, dann die rot maskierten adulten Männchen. In der Ferne wiederum schicken sich Geier zum Trinken an.
Während ich auf Schleichfahrt durch den Busch bin huscht irgendetwas von links nach rechts. Wow! Ein Gepard! Das Tier hatte im Schatten eines Busches direkt neben dem Weg die Mittagspause verbracht. Es war so gut getarnt, dass mein mittlerweile schon ziemlich gut geschultes Auge ihn nicht gesehen hat. Nach einem kleinen Sprint stolziert er von mir weg durch die Savanne, majestätisch die Hüften kreisend und auf der Suche nach einem neuen schattigen Plätzchen. Ein intensiver Moment, dessen Fotos nicht nur das Tier sondern auch sein Habitat zeigen.
Doch es kommt noch viel krasser… Es dämmerte bereits als ich am mir zugewiesenen Lagerplatz mein Dachzelt aufschlug und während ich so auf dem Jeep rumkrabble raschelt und grummelt es unter mir. Vorsichtig luge ich hinunter und sehe sage und schreibe drei ausgewachsene Löwen. Ein Männchen und zwei Weibchen fletzen sich hin und nageln mich damit gute 1,5 Stunden ans Dachzelt, denn ans Runtergehen zum Auto ist nicht mal ansatzweise zu denken, was mich innerlich auf die Palme bringt, denn mein gesamtes Fotoequipment ist natürlich im Jeep…
Am Morgen danach packt die Kalahari sogar noch eine Schippe drauf. Während ich mich an einer verlassenen Campsite zwecks Frühstücks außerhalb des Jeeps aufhalte, erspähe ich in der Ferne einen Gepard. Das Tier kommt näher und näher und steht irgendwann direkt vor mir. Ich nehme mein großes Superteleobjektiv in Abwehrhaltung, nur so für den Fall, aber einfach so aus einer Laune heraus Menschen anzugreifen ist ehrlich gesagt nicht das Wesen eines Gepards. Ergo bleibe ich erstmal cool.
Wir stehen uns bestimmt eine gute Stunde gegenüber, begutachten und beschnuppern uns bis ich registriere, dass es dem Tier um seine Vorräte geht die im Baum oberhalb mir lagern. Ich entferne mich davon und beiße dabei in einen Apfel um dem Tier zu signalisieren, dass ich ihm nicht sein Fresschen klauen werde. Geparden gehen einem nicht an die Kehle, aber mit dem Krallen eine gelöscht zu bekommen will man definitiv auch nicht. Dennoch komme ich dem Tier sehr nahe und ich kann Detailaufnahmen des noch jungen Tieres schießen. Herzklopfen par excellence! Ein Moment äußerster Reinheit den mir die Kalahari bescherte, mit offenem Visier der wilden Natur Afrikas ins Auge geblickt zu haben. Magische Kalahari!