West-Berlins sowjetisches Erbe – Das Ehrenmal im Tiergarten
Der vorläufige Abschluss meiner Fotoserie „Ostdeutschlands sowjetisches Erbe“ widmet sich einem Paradoxon, dem ersten großen sowjetischen Ehrenmal auf Berliner Boden sowie gleichzeitig einzigen Gedenkstätte der Rotarmisten auf West-Berliner Territorium. Unübersehbar in Sichtweite von sowohl Reichstag als auch Brandenburger Tor gelegen, wurde es rund um die Uhr von Soldaten bewacht. Ein sowjetisch-kommunistischer Stachel im West-Fleisch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren weite Teile Ostdeutschlands, und damit nicht nur Berlin, von der Sowjetunion befreit und besetzt worden. Die uns bekannte, und über Jahre zementierte Aufteilung des von den Alliierten okkupierten Gebiets in Ost und West, in „Gut und Böse“, kam allerdings erst mit der Potsdamer Konferenz 1945 im Potsdamer Schloss Cecilienhof zustande. Diese auch Dreimächtekonferenz genannte Zusammenkunft zog die späteren Linien der Sektoren- und Landesgrenzen.
Eine ungewöhnliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das bereits kurz nach dem 8. Mai 1945 in Auftrag gegebene Ehrenmal im Berliner Tiergarten. Es liegt genau auf der Kreuzung der Nord-Süd- und der Ost-West-Achse der eigentlich geplanten Nazi-Hauptstadt Germania, und riegelt dieses, von Albert Speer und Hitler geplante Unterfangen, symbolisch ab. Eingeweiht am 11. November 1945, ehrt es die ca. 80.000 in der Schlacht um Berlin gefallenen Rotarmisten. Vor jener Eröffnung aber nach Beginn der Bauarbeiten fand die Potsdamer Konferenz statt und „verschob“ das erste große sowjetische Ehrenmal in den Westen Berlins, genauer gesagt in den britischen Sektor, weil die Nord-Süd-Linie entlang des Brandenburger Tors als Sektorengrenze definiert wurde.
So lange Deutschland zweigeteilt war, wurde auch das Ehrenmal im Tiergarten beschützt; von besonders treuen Sowjetsoldaten, die in West-Berlin, auf eigentlich feindlichem Territorium Ehrenwache standen. Spätestens mit dem Bau der Berliner Mauer und der kompletten Abriegelung des Ostens vom Westen, avancierte dieses letzte, aber wichtigste Ehrenmal auf dem Kampfweg der 1. Belorussischen Front schnell zum kommunistischen Stachel im West-Berliner Boden.
Der Hass vieler West-Berliner entlud sich an den dort bestatteten, mehr als 2.000 Soldaten und gipfelte im November 1970 im Attentat des Neo-Nazis Ekkehard Weil, der einen sowjetischen Wachposten nieder schoss. Ein für die Briten willkommener Anlass das Areal weiträumig von der Öffentlichkeit abzuriegeln und die Sowjetsoldaten allein Wache stehen zu lassen.
Witzigerweise stehen auch heute noch viele Absperr-, so genannte Hamburger Gitter entlang der Straße des 17. Junis. Die Allee sieht aus, als wären Briten und Sowjets nie abgezogen… Heutzutage aber schützen sie nicht mehr vor Neo-Nazis sondern man lässt die Barrieren einfach aus stinkender Faulheit stehen, weil auf dem 17. Juni alle Nase lang der Pöbel mit irgendwelchen neuen Fanmeilen belustigt werden muss. Ein Spiegel der Qualität des Flughafen-Senats und Spaßindustrie…
Die Gedenkstätte wird zunächst von zwei T-34 Panzern, den typischen, wendigen kleinen Panzern der Sowjetarmee gerahmt. Angeblich sollen diese die Stadt Berlin zuerst erreicht haben. Dann folgen zwei schwere Artilleriegeschütze, die im Kampf um Berlin sowohl zum Einsatz kamen als auch Salut schossen als er endete. Letztlich steht man vor der bis zu 20 Meter hohen Anlage, die im Wesentlichen aus einer gebogenen Kolonnade und der 6 Meter großen Bronzefigur eines Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett besteht. Dem Architekt Nikolai W. Sergijewski standen beim Bau die berühmten Bildhauer Lew E. Kerbel und Wladimir E. Zigal und der zur Seite.