Viñales – Tabakfelder und Tropfsteinhöhlen
Das im Westen Kubas gelegene Valle de Viñales (Tal von Viñales) ist eines der Hauptanbaugebiete für Tabak, dem kubanischen Exportschlager Nummer eins. Seine Szenerie gehört zu den UNESCO Kulturlandschaften der Menschheit und ist von den Karstfelsen der Sierra de los Órganos, dem Orgelpfeifengebirge, umgeben. Die rote Erde der kleinen Tabakfelder ist ein ständiger Begleiter wenn man zu den Bergen und seinen Tropfsteinhöhlen reitet.
Freund auf vier Hufen
Es ist früh am Morgen. Mir steckt noch der Rum des Vorabends in den Knochen und mein Kopf fühlt sich wie eine Sechskantmutter an. Opa Fernando, der Vortags wesentlich mehr becherte als ich, ist dagegen fit wie ein kubanischer Turnschuh. Wortkarg nehme ich die immensen Essensmengen ein, die mir seine Frau, meine Gastgeberin Judi morgens um kurz vor 6:00 auf den Tisch knallt. Sicherlich verdient Judi ihren Lebensunterhalt mit Gastfreundschaft, lumpen aber lässt sie sich diese kleine kommunikative Frau, die man einfach nur knuddeln möchte wenn sie lacht, definitiv nicht.
Es hupt und ein Typ in einem altersschwachen Moskwitsch fährt vor. Mit einem Lunchpaket ausgestattet, stopft mich die 1.45m große Judi resolut in die von scharfkantig-rostigen Stellen übersäte Metallkutsche. Mein Fahrer und Begleiter hört auf den, für meinen Gemütszustand einfach zu merkenden Namen Jordi. Er bringt mich zu seinem Gehöft wo bereits ein Pferd auf mich wartet. In die Tabakfelder zu laufen wäre auch eine Option gewesen, welche mich mit 20kg Fotoausrüstung auf dem Rücken und bei sengender Sonne sicherlich später aber hätte ordentlich fluchen lassen.
Die Pferde sehen hier oben oft nicht allzu gesund aus, leider. Ein gutes Leben haben sie definitiv nicht. Ich entscheide mich dennoch bewusst für ein Pferd, da es für das Tier sicherlich besser ist sich bewegen zu können als den ganzen Tag in einem Verschlag stehend wie angewurzelt verbringen zu müssen; und bei wohlgemerkt auch für den Vierbeiner brennender Sonne.
Mein Gaul ist störrisch und scheint eher ein ins Pferdekostüm gesteckter Esel zu sein, denn die reitüblichen Kommandos gehen ihm gelinde gesagt am Allerwertesten vorbei. Sein Besitzer hingegen scheint das Tier auf der Metaebene steuern zu können. Jordi braucht nur zu schnalzen oder irgendwelche unaussprechlichen Pfeifgeräusche von sich geben und das Tier macht genau was er will. Erstaunlich. Im hartsatteligen Trab geht es so durch die Morgenstimmung der Fincas und Plantagen, vorbei an Vieh, Bauern und Tabakpflanzen.
Wir legen eine Pause ein und „parken“ die Gäule im Schatten, neben anderen Gäulen. Ja, wir sind nicht die Einzigen so früh auf den Beinen. Faktisch ist mein Ritt durch die Kalkfelsen und das Tal von Viñales nichts weiter als eine kleine Verkaufstour, denn unser Stopp gilt den Verkaufskünsten der lokalen Tabakbauern und dem Aufschwatzen unzähliger Bio-Zigarren. Ja, dieses Wort ist hier auch schon angekommen.
Ich verlasse den Sattel und steige ab. Es dauert keine 2 Sekunden und mein Pferd fängt an zu pinkeln als hätte es 30 Liter Eistee gesoffen… Ein kleines uringelbes Fließ fräst sich in die rotbraune Erde und läuft witzigerweise auf Nicos Füße zu, der gerade eine Gruppe von Italienern, denen er seine Zigarren aufschwatzen wollte, verabschiedet. Dann erwischt es mich. Was in Deutschland Kaffeefahrten mit Heizdecken, sind in Kuba die Austritte in Viñales mit Zigarren.
Butterfahrt zum armen Tabakbauern
Den teerig-kratzig schmeckenden Glimmstängel in der Gusche, erzählt mir Nico beim Zigarre drehen wie schlecht es den Tabakbauern geht und wie gut doch seine Bio-Zigarren wären und so weiter und so fort. Gut geht es Kuba aus Sicht verwöhnter Westler nicht, allerdings ist mir auf meiner gesamten Kuba-Reise niemand begegnet, der *zack* ein Bündel Fünfzig Dollar-Scheine aus der Hose zieht.
Nico spult seinen Vortrag über Tabak und Zigarren ab. Zur Prävention eines profunden Durchfalls, lasse ich seine Gratiszigarre, ganz im Stile eine Edmund Stoiber Sushis, diskret unterm Tisch verschwinden. Ich blicke auf den Boden und sehe etliche andere dieser Überreste, die, wären wir in Berlin, eher optische Assoziationen an feuchte Hundehaufen wecken.
Zum Glück endet der Vortrag interventionsfrei und es geht weiter. Ich schwinge mich behänd aufs Ross. Plötzlich knackt es kurz und trompetet dann satte 20 Sekunden. Mein Schwung muss im Gaul wohl einen Darmwind entfesselt haben. Der Pferdefurz stinkt mörderisch und erinnert so gar nicht an einen Pflanzenfresser. Jenes Odeur heftet sich für den Rest der Reise an meine Klamotten und zieht den einen oder anderen augenrollenden Blick auf mich. Ach hätte ich doch zur Neutralisation was von Nicos tabak-teerig stinkenden Räucherstäbchen gekauft… Nico hat derweil schon das nächste Touri-Grüppchen am Wickel und leiert das Gleiche runter.
Kurz in der Zeit gesprungen, besuche ich weiter südlich, in Pinar del Río eine Rum-Destille und weitere Tabakfarmen. Während die Bauern und ihre Felder im Valle de Viñales eher als Kooperative zu verstehen sind, so sind die Fincas die ich nahe Pinar del Río unter die Lupe nahm in privater Bewirtschaftung. Auch hier wird mir das Lied vom armen Tabakbauern vorgedudelt der 90% seiner Ernte an den bösen Staat abdrücken muss.
Dem aufmerksamen Beobachter entgeht aber weder Goldkette noch stattliche Armbanduhr, und auch Kleidung, sowie Ausstattung und Aussehen der Anwesen zeichnen im Vergleich zum restlichen Kuba ein eher anderes, wohlhabendes Bild des Tabakfarmers. Diese Debatte ausgeklammert, sind Tabak und Zigarren ein einzigartiges, kuba-typisches und erlebares Kulturgut.
Zurück in Viñales reiten wir an den Nicos dieser Welt und etlichen anderen Verkaufsvorstellungen vorbei, welche klar an den vor der scheune geparkten Pferden sowie am vor dem Eingang wartenden kubanischen Pferdeführer zu erkennen sind. Am Ende dieser Kaffeefahrt mit Zigarren statt Heizdecken wartet dennoch ein sehr schönes Naturwunder, eine Tropfsteinhöhle.
Kuba unter Tage
Jene Cuevas sind im Valle de Viñales übrigens keine Seltenheit. Die rundlich und steil aufragenden Berge sind Karstfelsen, also primär Kalkstein, welcher vom Wasser allzu gern ausgewaschen wird und jene Höhlen hinterlässt. Größere Vertreter in Sachen Tropfsteinhöhlen sind die Cueva del Indio, Cueva de Santo Tomas oder aber die Cueva de San Miguel. Wir hingegen sind in einer etwas kleineren Cueva unterwegs.
Mein Begleiter in der Höhle ist mit nervig noch wohlwollend umschrieben. Jedes Stehenbleiben meinerseits, um ein halbwegs gesittetes Foto schießen zu können, wird mit irgendwelchen stinkend-unfreundlich spanischen Phrasen beantwortet. Sein übergroßes LED-Panel wirkt wie ein Star Wars-Lichtschwert. Es zerschneidet die Finsternis. Sein Schein fördert nicht nur die Farben der Höhle zu Tage sondern lässt mich dank lichtstarker Objektive und High ISO passable Impressionen einfangen.
Am Ende der Höhle, immerhin ein Teil des Nationalparks und damit unter strengen Schutz gestellt, erlaubt der mufflige Guide dann irgendwelchen Dummbratzen im dortigen Süßwassertümpel baden gehen zu dürfen. Toll, wirklich ganz toll, wie Kuba bereits jetzt schon von den Ausgeburten der Generation McDonalds heimgesucht wird. Ich darf keine Sekunde stehen bleiben um zu fotografieren, den Pool, das Wasser und damit die Höhle selbst aber vollgeschmiert mit Sonnenlotion verunreinigen zu dürfen, das wiederum ist völlig ok.
Tourismus hat auch zerstörerische Wirkung, und so hinterlassen diese Nichtsblicker neben dem künstlichen Geruch der Lotion vor allem einen satten Ölschleier auf dem Wasser. Ein Ölfilm, der sich ob des stehenden Wassers eine Weile nicht abbauen wird… Armselig und ohne Respekt gegenüber der Natur. Das Baden ruft mir die Anahulu Cave auf Tonga ins Gedächtnis, wo die Einheimischen darüber wachen, dass die Höhle und ihr Wasser nicht verschmutzt werden. Umso größer war der dortige Badespaß :-)
Wieder draußen angekommen, sind die kleinen, sehr sorgfältig angelegten Plantagen mit ihren in Reih und Glied stehen Pflanzen vor dem Hintergrund der kleinen niedlichen Trockenhäuser, sowie rund-bewachsener Karstfelsen und dem Kontrast zwischen Tabak-grün und rotbrauner Erde ein ziemlicher Augenschmaus. Durch die eine oder andere Anpflanzung laufen Bauern mit ausladenden Sombreros und streichen liebevoll den roten Staub von den saftig grünen Blättern.
Sattel und Pferd in Tateinheiten bescheren sowohl Steiß als auch Gemächt eine Stresssituation, die glücklicherweise an einer kleinen Bar endet. Während des ganzen Ritts brezelte die Sonne ganz ordentlich auf mich nieder. Schwitzen war vorprogrammiert, was das Aussaufen einer ganzen Kokosnuss erklärt. Danach geht’s mit Mojito weiter, welcher ja eigentlich aus Sodawasser und Rum besteht, aber hier, mischungsverhältnismäßig, in Rum mit Sodawasser verkehrt wurde.
Diese Mischung hat es in sich und es dauert nicht lange bis sich die Touris sich zum Abschluss des Ausritts, musikalisch-klatschend instruiert durch die Anheizer vom Dienst und ihren üblichen latinoamerikanischen, live gespielten Liedern, lallend und mit glasigen Augen in den Armen liegen. Aber auch das ist Völkerverständigung.
Das Dorf Viñales
Wieder zurück in Viñales, sieht man in den Restaurants entlang der Salvador Cisneros, der einzigen Hauptstraße, viele Gesichter, die man bereits während des Ausritts ins Tal bemerkte. Da ist z.B. wieder die fette US-Amerikanerin, die eigentlich zwei Pferde gebraucht hätte, und sich scheinbar ausgemergelt über einen ganzen Tisch an Essen hermacht. Auf derartige Bekanntschaften habe ich keine Lust und dokumentiere die Architektur der süßen kleinen, ebenerdigen Häuser des Dorfes. Ein niedliches Detail sind die in Farbe zum Haus abgestimmten, omnipräsenten Schaukelstühle.
Ich erspähe die Kirche und Ihren Turm. Am Eingang sitzt eine ergraute, aber sehr freundliche Oma, die mich nach kurzem Schäkern auf den Kirchturm lässt. Während ich mit Flipflops die Leitersprossen erklimme, serviert die Dame mir zwinkernd einen anständigen Scherz, die Glocke nicht zu läuten, denn dann hätte sie keinen pünktlichen Feierabend, weil jeder zur Kirche rennt und denkt es sei Sondergottesdienst oder jemand müsse unter die Erde :-)
Noch in 2014 mussten Touristen hier in Viñales in den Straßen nächtigen. Raul Castros Öffnung der Wirtschaft aber ließ die Casas Particulares genannten privaten Pensionen aus dem Boden schießen wie Pilze aus einem Kuhfladen. Mittlerweile sind es in Viñales nicht mehr 30 oder 40, sondern gut 350 private Unterkünfte die in der Regel äußert gastfreundlich und super ausgestattet sind. Kuba öffnet sich, Kuba verändert sich.