El Teide – Teneriffas Vulkangigant
Nur wenige Flugstunden von Europa entfernt liegen die Kanarischen Inseln. Allesamt sind sie ein Zeugnis der Erdgeschichte, und auf Teneriffa tritt dies am ehesten ans Tageslicht. Dort schuf die Kraft aus dem Erdinneren den imposanten und zugleich höchsten Berg Spaniens, den El Teide. Dieser Vulkan ist das Fundament der Insel und vereint ob seines Ausmaßes alle Klimazonen unseres Planeten.
Was haben Hawaii, die Galapagos-Inseln und auch Mauritius gemeinsam? Richtig. Alle Inseln (um lediglich drei Vertreter ihrer Zunft zu nennen) verdanken ihre Existenz einen vulkanischen Hotspot; einem sich konstant durch die Erdkruste schweißenden Punkt im Erdmantel. Das dort geförderte Magma lässt große Gebilde entstehen, und mit dem El Teide sogar den mit ca. 7.500m dritthöchsten Inselvulkan der Erde.
Nicht nur Teneriffa ist vulkanischen Ursprungs, die gesamten kanarischen Inseln sind ein Produkt des Erdinneren. Auf den benachbarten Inseln Fuerteventura und Lanzarote ist der Vulkanismus sogar noch so stark am Werken, dass er in Nationalparks zur Schau gestellt wird.
Die Genese Teneriffas begann vor fast 10 Millionen Jahren mit drei anderen Vulkanen, dem Tengo, Anaga und Adeje. Diese drei sind übrigens auch an der Dreiecksform Teneriffas „schuld“. Vor 5 Millionen Jahren stieg dann relativ mittig der Vulkan Cañadas aus der Asche seiner drei erloschenen Vorgänger. Er schuf wiederum die Basis dessen auf dem heute die ca. 200.000 Jahre alten Kegel Pico und Viejo thronen. Im Laufe der Zeit vereinigten sich Pico und Viejo, aus dem der Pico als höhenmäßiger Sieger hervorging.
Über die hoch liegenden Ränder des vulkanischen Gipfelkamms ergießt sich dieser Wintertage ein konstanter Wolkenteppich ins Tal. Die tief stehende Wintersonne setzt diesen Gobelin aus sich auflösendem Wasserdampf, der sich im stetigen Kampf gegen die Wärme des Zentralgestirns befindet, gekonnt in Szene. Der Tafelberg zu Kapstadt und sein „Tischtuch“ könnten kein besseres Naturschauspiel bieten.
Auf der Ringstraße von Südwesten in den Nordosten fahrend, über Masca und Icod, offenbart die Insel ihr schroffes, aber äußerst imposantes Gesicht. Wenn sich die Wellen des Atlantiks an steil abfallenden, ineinander verschachtelten vulkanisch schwarzen Felsen brechen, auf denen wiederum die Domizile der Einheimischen und der Besucher stehen, dann erinnert die Nordseite Teneriffas, wenn auch deutlich stärker besiedelt, durchaus an den Osten Süd-Neuseelands oder aber an Neu-Kaledonien. Und Gott sei Dank sind die Übernachtungskasernen der Tourismusgroßkonzerne allesamt im Süden angesiedelt…
Die Caldera des zentral auf der Insel gelegenen El Teide Vulkans sollte man nach Möglichkeit von zwei Seiten erleben. Einmal aufsteigend und kommend über die durch La Orotava führende TF-21 und dann wieder absteigend über die TF-38 gen Adeje und Santiago del Teide. Das landschaftliche Kino, der Wechsel in Geologie, Farben als auch Vegetation, könnte nicht größer sein. Auf dieser Strecke erlebt man auf engstem Raum die Vielfalt dieser Welt, unseres Planeten. Eine ähnlich spektakuläre Landschaft bietet auch die Nachbar-Kanareninsel Lanzarote mit der Timanfaya-Region.
Auf diesem Ritt, kulminierend am eigentlichen Vulkankegel, durchwandert man sämtliche Klimazonen. Von trockenen Verhältnissen, Kakteen und Palmen am Boden, geht es über ausgedehnte, üppig-grüne und vom Wolkenteppich genährte Nadelwälder in die von Moosen und Pionierpflanzen geprägte Caldera des Vulkans, vorbei am 3.718m hohen Pico del Teide, um dann in einem ausgedehnten, schwarz-scharfkantigen Lavastrom wieder gen Ozean abzusteigen.
Die Vegetation der Hochebene in der vulkanischen Caldera ist nicht gerade üppig. Das liegt zum einen an der Präsenz des Vulkans und der Höhe, zum anderen aber durften die Guanchen, die Ureinwohner hier ihr Vieh weiden. Vom einstigen Futterland sind heute nur noch indirekte Spuren zu finden, wenn man die Biodiversität unter die Lupe nimmt. Auf der anderen Seite gibt es endemische Pflanzen. Zum Beispiel den Teideginster, der die Quelle eines begehrten Honigs ist, und auch den Roten Teide-Natternkopf, dessen bis zu 3 Meter hohe Blütenstände nur im Frühsommer florieren und von denen Wanderer oft nur verdorrte Gerüste sehen.
Den eigentlichen Gipfel und jüngsten Krater des Teide darf man nur besteigen, wenn man zuvor eine Erlaubnis eingeholt hat. Das Vorhandensein dieser Erlaubnis wird penibel kontrolliert. Eine Alternativroute den Vulkan ausgiebig kennenzulernen ergibt sich aus den Wanderwegen 12 und 9, wenn es runter zum alten Krater, dem Pico Viejo geht. Diese Route sollte allerdings mit Vorsicht genossen werden, denn es gilt ca. 500 Höhenmeter bei spürbar (!) dünner Luft in einem fies (!) scharfkantigen Feld von AA-Lava zu überwinden.
Das Bezwingen dieses Lavafeldes – dem Narices del Teide – war das mit Abstand Anstrengendste, was mir in meiner bisherigen Vulkanlaufbahn vor die Nase gekommen ist. Runter zu fliegt man förmlich über das Gestein und es braucht nur ~20 Minuten bis zum Ziel, dem Viejo-Krater. Hoch zu aber sieht die Welt völlig anders aus, da man ungefiltert und ungebremst mit der Scharfkantigkeit von AA-Lava konfrontiert wird. Hinzu kommt die volle Ausrüstung von sowohl Wanderzeug als auch Fotoausrüstung.
Nicht wenige Lavablöcke purzeln auf einen herab wenn über einem wandernde Touristen nicht aufpassen. Damit sind u.a. Stilblüten, wie in Stöckelschuhen oder Sandalen wandernde Trägerinnen von Michael Kors-Taschen gemeint, die im Selfie-Wahn der Snap Chat Hunde-Filter-Fratzen nicht aufpassen wo sie hintreten und Lavabrocken loslösen. Irgendwann drücken dann auch Wolken ins Terrain und bringen strenge Kälte mit, die selbst durch beste Outdoor-Kleidung kriecht. Spätestens dann birgt die Wanderung das Potential einer Tortur…
Auf den Wanderwegen ist man dennoch vor der ganz großen Touristenmasse in Sicherheit. Natürlich steht der Teide auf dem Programm vieler Tagesausflüge von Pauschaltouristen; was in diesem Zusammenhang nicht negativ klingen soll, ist doch der Teide einer der wenigen Vulkane weltweit, der Besucher auf seinen Schultern duldet. An den nicht wenigen Parkplätzen unweit der Seilbahn-Basisstation aber spielt sich aufgrund der Menschenmasse nicht selten ein Drama ab…
Der Vulkan ist allerdings mehr als die optisch einfach zu erfassende kegelförmige Erhebung nebst Seilbahn. Neben zahlreichen Schlackekegeln und singulären Eruptionskratern im Westen, lässt vor allem die Caldera einen Rückschluss auf die eigentliche Dimension des Feuerbergs zu. Die Caldera, und damit die während des ganzheitlichen Eruptionsprozesses kontinuierlich kollabierende Magmakammer, misst circa 17×10 Kilometer und ist damit alles andere als klein. Der Pico del Teide ist also „nur“ die jüngste Ausprägung dieses Vulkansystems.
Wenn der Superlativ des Vulkans nur ~10% der Besucher emotional derart erfasst, dass sie ihren Umgang mit der Natur überdenken, dann ist er es halbwegs wert, der Ansturm der Busse, Handtaschen- und Sandalenträger am Fuße der Seilbahn. Ein industriell organisierter Andrang mit freundlicher Unterstützung von den TUIs, Monarchs, Ryan Airs, Tomas Cooks und Airberlins dieser Welt. Natürlich erleben auch viele Kinder ihren ersten Vulkan. Große Augen, Neugier und ein letztlich erweiterter Horizont für Wissbegierige kann selten schlecht sein.
Die einzigartige Küste setzt sich im äußersten Norden der Insel, wo die Fischerdörfer Almágica und Benijo zu finden sind, auf dramatische Art und Weise fort. Dort, wo die Straßen so eng werden, dass kaum noch zwei PKW nebeneinander passen, treffen mannshohe Wellen auf Schroff gezackte Felsen vulkanischen Ursprungs.
Wenn dann, auf der Straße, noch ein Bus hinzukommt…, wird’s verflucht eng an Teneriffas Ende der Welt, wo es Casa Africa einen inselweit bekannten, wirklich guten Tintenfisch vom Grill zu futtern gibt. Während man sich Tentakel für Tentakel reinzieht, kann man selbst bei kanarischen Wintertemperaturen – die Schleierwolken über dem Teide tags zuvor verrieten es bereits – nicht selten Junge beobachten, die sich in die Fluten stürzen und stundenlang ihrem Hobby frönen.