Das Hippo Baby von St. Lucia
Bei St. Lucia, im Osten Südafrikas, wird das Klima tropisch schwül und lässt einen nicht schlafen, denn wo der Indische Ozean anbrandet und Swasiland nicht weit entfernt ist, öffnet sich die geschlossene Küstenlinie und lässt eine Lagunenlandschaft entstehen. Die St. Lucia Wetlands, oder besser gesagt iSimangaliso Wetlands, sind ein UNESCO-Weltnaturerbe und El Dorado für hunderte von Nilpferden, die dort, im Schutz der Mangroven, ihre Kälber zur Welt bringen.
Der Reichtum an Flusspferden in der Region von St. Lucia ist so hoch, dass die Warnschilder in Sachen Hippos im Straßenverkehr definitiv ernst zu nehmen sind. Erst im Frühjahr 2017 kam es zu einem Aufeinandertreffen von Flusspferd und Mensch, als einem des nächtens heimkehrenden Touristen fast einen Arm abgebissen wurde. Den Tieren ist dabei kein Vorwurf zu machen, ist es doch der Mensch der touristisch wie siedelnd in den Lebensraum der Flusspferde vordringt.
Der Tourist hatte unglaublich viel Glück, denn Hippos sind außerordentlich kräftige Vierbeiner mit rasiermesserscharfen, langen Zähnen. Die Aggressivität der Tiere rührt von ziemlicher Kurzsichtigkeit her. Je nachdem ob eine Fluchtmöglichkeit besteht und ob das Tier eher kriegerisch veranlagt ist – alle Geschöpfe, nicht nur der Mensch, können Choleriker sein – wird angegriffen oder nicht. Speziell im Dunkeln steigt die Gefahr, wenn Hippos nahezu gar nichts mehr sehen.
Es stimmt also, dass die meisten Wildunfälle Afrikas auf das Konto der possierlich aussehenden Hippos gehen, die die deutsche Nachwende-Generation primär aus jedem siebten Ei kennt. Meine erste Flusspferd-Begegnung hatte ich 2003 im Okavango-Delta, als wir inmitten eines nicht klar erkennbaren Hippo Trails zelteten. Um Mitternacht vom Flusspferdbullen zertrampelt zu werden ist auch kein schöner Tod. Doch zurück zu St. Lucia, das Südafrikas größte Ansammlung von Flusspferden beherbergt und das auf der Reiseroute sehr vieler Touristen steht.
Eine Institution ist dabei die Abendfahrt in der Lagune. Mehr oder minder betagte Boote, gesteuert von mehr oder minder intelligenten Guides, bringen dann hunderte von Touristen auf einen Schlag in das von Mangroven gesäumte Mündungsgebiet. Mein Guide – der zuvor seine Liebe zur Natur anpries und wie wichtig es sei, dass St. Lucia wieder von die Natur schützender schwarzer Hand geführt werde – war sogar so dreist ein unter Wasser kopulierendes Hippo-Pärchen aufzuschrecken, in dem er es absichtlich rammte. Nicht gerade die feine englische Art…, stelle man sich doch einfach mal vor, beim Sex von einem Spanner auf die Schulter getippt und aufgescheucht zu werden.
Die Guides rattern dabei oftmals pausenlos sabbelnd das auswendig Gelernte runter und instruieren die touristische Gefolgschaft z.B. bezüglich des jährlichen Ausstoßes von Flusspferddung. Aber was beschwere ich mich. Notwendig ist dies allemal, da kein geringer Teil der Touristen absolut null Ahnung hat was sie da sehen dürfen. Und das ist wesentlich mehr als nur Flusspferde, denn die Lagunenlandschaft wird auch von ebenso vielen Krokodilen sowie unzähligen unterschiedlichen Vogelarten bevölkert. Am auffälligsten sind die nicht wenigen Habichte, unterschiedlichen Reiherarten und sogar Webervogel-Kolonien die man entlang der Lagune beobachten kann. Ab und zu verirren sich sogar Haie ins Brackwasser.
Kinderstube im trüben Wasser
Egal ob normaler Tourist oder Profifotograf, jeder ist scharf auf genau jenes Foto, wenn eines der Flusspferde auftaucht und sein imposantes, zahnbesetztes Maul aufreißt. Wenn man Glück hat wird man Zeuge von Reibereien untereinander, sprich eines richtigen Kampfes, denn Bullen verteidigen ihre Weibchen sogar derart rigoros und aggressiv, dass sie eigene Nachkommen tot beißen.
Ich habe Glück und erspähe eines dieser sehr jungen Kälber, das zufrieden auf dem Rücken seiner Mutter schlummert und die Abendsonne genießt. Ob seiner (noch) nach oben gezogenen Mundwinkel versprüht es Behagen und scheint zu grinsen. Ab und zu lässt der Wellengang das Kalb abrutschen und auch Mutterns Auftauchen, um frische Luft zu tanken, lässt das Junge ins Wasser gleiten. Wirklich schwimmen kann das Kleine noch nicht und es ist beeindruckend wie schnell der mütterliche Rücken das Jungtier wieder auffängt. Die weibliche Erziehungsberechtigte aber ist vom immer näherkommenden Boot not amused. Wieder einmal ist unser Guide und Naturliebhaber der Meinung stören zu müssen. Verständlicherweise schützt sie ihr Kalb und verdrückt sich in die nahen Mangroven.
Die Sonne schickt sich eh an unterzugehen und so beschließt unser naturliebender Guide und Rammbock den Rückweg gen Heimathafen anzutreten. In der Ferne, im Süden St. Lucias sieht man einen Sandberg thronen, die, nach Aussage unseres Guides, angeblich die höchste Düne Afrikas sein soll. Nun ja, vielleicht hat er die Sanddünen von Sossusvlei in Namibia noch nicht gesehen, die um Einiges, um nicht zu nicht zu sagen doppelt so gewaltig sind. Derartige Aussagen vergisst man aber schnell, wenn man den Abend in der recht guten ortsansässigen Gastronomie ausklingen lässt und sich St. Lucia so in Erinnerung behält. Aber Obacht: Auf dem Heimweg kann’s Hippo-Begegnungen geben…