Dune 45 – Sonnenaufgang in der Namib-Wüste
Die riesigen roten Dünen der Wüste Namib sind die weltweit höchsten ihrer Art. Sie türmen sich genau dort auf, wo bei Sossusvlei der Tsauchab River im Sand Namibias verschwindet. Nur einer jener Sandberge darf bestiegen werden, die Düne bei Kilometer 45, die sich ~170m hoch aufschichtet und aus 5 Millionen Jahre alten Ablagerungen der Kalahari besteht. Von ihr aus kann man das Farbenspiel des Sonnenaufgangs in der Wüste bestaunen.
Früh aufgestanden ist halb gewonnen
Als ich Sesriem, den Eingang zu den Dünen der Namib, in 2003 zum ersten Mal besuchte, gab es hier noch keine Tankstelle und auch keinen Verkauf von gekühlten Getränken. Heute aber ist das anders, heute kann man in der privat geführten Sossusvlei Lodge mit Hummer zum Frühstück in den Tag starten. Eines ist nach wie vor aber noch immer so: Die staatliche Sesriem Campsite hat morgens das Vorrecht die Tore zum Dünen-Nationalpark öffnen zu dürfen, weshalb ich wieder dort nächtige.
Circa 20 Minuten bevor das Tor des Nationalparks geöffnet wird, finde ich mich mit dem Jeep dort ein. Ich bin weiß Gott nicht der Einzige der zur Düne will, bin aber durch mein gut vorbereitetes Einzelkämpfer-Dasein definitiv der Schnellste und damit Erste in der Wüste. Auch werde ich Vorkämpfer beim Besteigen der Dune 45 sein… Oh ja, der Aufstieg zur Dune45…, ebenfalls eine bleibende Erinnerung aus dem Jahre 2003. Damals watschelte ich noch ohne Kameraausrüstung und in Flipflops den Kamm hinauf.
Dringen die Füße in den Sand ein, merkt man, dass die kältere obere Schicht nur sehr dünn ist und darunter deutlich wärmerer Sand schlummert. Der Aufstieg geht wieder mal ans Eingemachte. Noch halb schlafend sackt man jeden Schritt einen halben Schritt zurück. Damals forderten die Flipflops ihren Tribut, heute ist es das 20kg schwere fotografische Zusatzgepäck. Oben angekommen macht es durchaus Sinn noch weiter zu laufen, denn schon bald werden mehr Leute eintreffen, sehr viel mehr Leute.
Ein guter Platz ist schnell gefunden, das Stativ aufgestellt und so sitze ich wartend auf den Sonnenaufgang, der sich in der Ferne am Horizont bereits als feine Violettnuancen abzeichnet. Schemenhaft zeichnen sich die vor mir liegenden Sandformationen ab. Von hier oben sieht alles so klein aus. Auch die mittlerweile zahlreich herbeiströmenden anderen Reisenden haben mittlerweile die Düne erreicht und erklimmen sie wie an einer Perlenschnur aufgereiht.
Farbenspiel der Sonne
Obwohl, oder gerade weil von der Sonne nur Indirektes zu sehen ist, muss die Kamera den Spagat zwischen finster und hell bewältigen. Für das menschliche Auge bedeutet dies einen gleißend hellen Himmel mit den im Dunkel liegenden Sandformationen in optischen Einklang zu bringen. Zu dieser Zeit regieren Blau, Violett und Weinrot; taucht die Sonne dann aber auf, erstrahlen die Dünengiganten in feinstem, makellosem Rostrot, mit Ausflügen ins Orange als auch Gelbe. Das Stelldichein des Sands, deren Grate sich messerscharf die Landschaft winden, wird wenn dann nur durch Grasbüschel unterbrochen und zum Glück nicht durch den Menschen.
Der Sonnenaufgang dauert circa eine halbe Stunde und kaum das die Sonne knapp über dem Horizont steht, spürt man bereits deutlich ihre Wärme. Mittlerweile bin ich alles andere als allein. Selbst hier weiter hinten, wo ich eigentlich dachte allein zu sitzen, drängeln sich mittlerweile Touristen vorbei und laufen einem – dumm und unaufmerksam wie sie nun mal sind – natürlich mitten durchs Bild. Was sollte man auch anderes machen als Landschaftsfotos schießen, wenn mit fetter Kamera und Stativ auf ner Düne sitzt…
Das Foto ist schnellt nachgeholt, viel nerviger aber ist es ob der unaufmerksamen Touris ständig das Stativ neu ausrichten bzw. aufstellen zu müssen, da vorbeilatschen im Sand jenen Sand (=Untergrund) nun mal instabil werden lässt. Warum ich mich aufrege? Weil es mir im Traum nicht einfallen würde einem Anderen durchs Bild zu rennen.
Zu viele Menschen an einem Ort bedeuten Dichte. Dichte erzeugt Reibung. Und so ist man mitten in der Wüste mit den Folgen der Globalisierung, sprich zunehmender Tourismusindustrie konfrontiert. Aber das war 2003 bereits absehbar… Ich erwarte nicht derartige Orte grundsätzlich für mich allein zu haben, aber ein wenig Benimm, Freundlichkeit und einschalten des Kopfes ermöglicht störungsfreien Genuss für alle. Davon ist die Dune 45 mittlerweile genauso weit entfernt wie der Sonnenaufgang an der Tengger Caldera.
Inzwischen ist das Farbspektakel des Sonnenaufgangs dem immer härter werdenden Licht der gleißenden Sonne gewichen. Ich verpacke meine Ausrüstung sanddicht – Wüstensand ist unglaublich fein und dringt überall ein! – und gönne mir den Spaß die Düne runter zu rennen. Halb läuft und halb taumelt man, fällt wenn dann aber weich. Der Wind übrigens glättet diese menschlichen Spuren im Sand jeden Tag aufs Neue.
Leben in der Wüste
Meine Fahrt geht weiter. Noch hat mein Jeep eine Asphaltstraße unter den Reifen, schon bald aber muss ich Luft ablassen, denn zum Sossusvlei gelangt man nur durch eine Passage lockeren Wüstensands. Die zahlreich verkehrenden Jeeps und Overland Trucks haben den Sand bereits ordentlich zerwühlt. Hinten im Vlei warten bereits Schatten spendende Bäume, die das Zuhause von Webervögeln sind. Wie viele von ihnen in der lebensfeindlichen Hitze leben zeigt sich, wenn man etwas Wasser hinstellt. Dann stürzen sich dutzende kleine gefiederte Freunde im Nu auf das kühle Nass.
Für die Wohlstandsgesellschaft wurde mitten in der Wüste ein opulentes Frühstück aufgefahren, mit eingedeckten Tischen und Champagner. Gegen Mittag ist dieser Spuk vorbei, denn dann wird es brütend heiß, was die Wenigsten abkönnen. Ich warte im Schatten der Schirmakazien auf den späten Nachmittag und freunde mich mit den Webervögeln an. Plötzlich tauchen zwei Touristen auf. Sie versuchten mitten in der Mittagsglut die Big Mama, eine der höchsten Dünen der Namib, zu erklimmen. Sie mussten abbrechen, da der glühend heiße Sand ihre Flipflops anschmolz und sich bereits Brandblasen abzeichnen.
Ich hingegen bewege mich voll eingekleidet durch die Wüste, zum Beispiel auf dem Weg zum Deadvlei. In langen Hosen schwitzt man zwar wie Sau, bietet der Hitze aber keine Angriffsfläche. Die meisten Besucher trifft man am Vormittag an. Am frühen Abend aber kann man die Wüste durchaus für sich allein haben. Dann kommen die Tiere raus. Nur der Herrgott weiß, wo sich Oryx, Strauß und Co. tagsüber bei dieser abartigen Hitze verstecken können… Die Tiere sind deutlich drahtiger als ihre anderswo lebenden Artgenossen. Stoisch, ein wenig misstrauisch beäugen sie mich, lassen sich aber dennoch nicht großartig stören.
Ich muss mich beeilen, denn bald schließt das Tor des Nationalparks. Wer zu spät eintrifft muss mit Strafen rechnen. Im letzten Restlich des Tages darf ich Zeuge werden, wie männliche Strauße auf der Suche nach Nahrung durch die Wüste streifen. Ich beschließe einen zweiten Tag zu bleiben, um in der Früh mit dem Helikopter aufzusteigen. Auch am zweiten Tag werde ich belohnt, abends, als sogar junge Oryx-Antilopen die Namib unsicher machen. Offensichtlich haben sich die Tiere so perfekt an ihren extremen Lebensraum angepasst, dass selbst Nachwuchs kein Problem ist.