Dascht-e Lut – Die heißeste Wüste der Welt
Die iranische Dascht-e Lut ist die heißeste Wüste des Planeten. Satelliten maßen in 2016 dort unglaubliche 78,2°C, was die höchste jemals auf der Erde gemessene Bodentemperatur darstellt. Der Hitzepol unserer Welt ist eine Kulturlandschaft des UNESCO Weltnaturerbes und beeindruckt mit bis zu 450 Meter hohen Sanddünen und den schroff-surrealen Felslandschaften der Kalouts.
Dascht-e Lut – Manche mögen’s heiß
Das Team von Kalout Desert Travel um Arman und Mina trifft pünktlich um 8 Uhr vor unserer Unterkunft ein. Von den über 78 Grad merkt man an diesem Morgen zum Glück wenig. Schon von weitem hören wir die Jeeps, die uns die nächsten Tage tief in die heißeste Wüste der Erde bringen werden. Wie diese 78,2°C ermittelt werden? Als gesichert gilt, dass niemand rausfährt um der Wüste an vielen verschiedenen Stellen ein Fieberthermometer in den Popo zu schieben. ;-) Es sind vielmehr spezielle Satelliten, die uns derartige Ergebnisse bescheren. Einer dieser Erdtrabanten ist MODIS, den wir Vulkanliebhaber z.B. vom Monitoring des Lavasees des Erta Ale her kennen.
Eine derart brutale Hitze bringt nur der Sommer hervor. Jetzt aber ist es Winter und die über 166.000km² große Wüste (دشت لوت) Dascht-e Lut wird von einem dicken Wolkenteppich überzogen. Dieser ist so dick, als ob uns die sonst unerbittliche Sonne eine Gnadenfrist gewähren würde. Dieses Quäntchen an Luftfeuchtigkeit ist einigen verwegenen Pflanzen und Insekten dennoch genug um in der Wüste überleben zu können. Darunter befinden sich Wüstenfüchse, Fliegen aber auch eine ekelhaft große weiße Spinnenart, deren Anblick es auf Anhieb in die Top 10 der hässlichsten Tiere schafft und Kindheitsalbträume in die Realität katapultiert.
Ok, den wirklich heißesten Ort werden wir nicht zu „sehen“ bekommen. Dieser liegt nämlich im Norden, wir aber fahren in die zentrale südöstliche Dascht-e Lut, wo auch die großen, bis zu 450 Meter hohen Sterndünen als auch bis zu 70 Meter hohe Kalouts zu Hause sind.
Jahrmillionen alte Ablagerungen
Kalout ist das persische Wort für Yardang. Der geologische Terminus Yardang wiederum ist das chinesische Wort für Windhöcker. Gemeint ist damit das Überbleibsel einer Millionen Jahre alten Ablagerung von Löss und Schluff die durch Erosion und Korrasion geformt wurde. Eine surreal aussehende, geomorphologische Felsformation also, dessen Name Yardang auf seine erste Sichtung und Beschreibung im Jahre 1903 zurückgeht.
Damals durchquerte Sven Hedin die chinesische Wüste Lop Nor. Er erzählte von den dortigen Windhöckern und deren uigurischen Namen Yar. Und auch in der iranischen Wüste war es der Wind, der den ehemaligen, trocken gefallenen Meeresboden in die Mangel nahm, abschliff und durch den fortgetragenen Sand wiederum die großen Sanddünen hat entstehen lassen.
Genau dorthin, zu den Dünengiganten der Dascht-e Lut geht die erste Reise, bis kurz vor die pakistanisch-afghanische Grenze, wo wir im Schatten eines Dünengiganten unser erstes Camp aufschlagen. Das östliche Grenzgebiet des Iran ist nicht ungefährlich da garantiert nicht unbewaffnete Opium-/Heroin- und Menschenschmuggler hier ihr Unwesen treiben. Obendrein wurde das Gebiet im Kampf gegen jene Schmuggler teilweise vermint.
Vorher allerdings müssen wir die unspektakuläre und sehr staubige Zentralebene der Dascht-e Lut namens Hamada durchqueren. Falls jemand mal ernsthaft die Idee entwickelte die Erde sei eine Scheibe, dann ist ihm dieser Gedanke definitiv hier gekommen… Die Flachheit der Hamada erscheint mir, selbst nach Reisen in die Danakil-Wüste und die Salzpfannen Afrikas, intensiver als je zuvor Gesehene.
Hier gibt es nichts, absolut nichts, so wirklich gaaaaaaaaaaar nichts. Nicht einmal einen wenige Zentimeter hohen Hügel grobkörnigen Sands bringt diese Landschaft hervor. Nur der Herrgott weiß woher die Armee mieser kleiner getigerter Fliegen kommt, die unser mittägliches Sandwich überzieht und die Mayonnaise schwarz punktiert.
Nächtlicher Besuch
Noch ist die Sonne da, also bauen wir schnell das Camp auf. Ja, es wird gezeltet, denn a) wird es nachts in der Dascht-e Lut empfindlich kalt und b) gibt es weltweit wohl nur wenige Menschen, die nachts vom strammen Wind nebst Sand gern die Kauleiste gepeelt bekommen. Während Arman ein Lagerfeuer anzettelt und anschließend exzellentes Kebab grillt – übrigens das Beste meiner ganzen Iran-Reise – kraxeln wir auf die Dünen und erkunden die nähere Umgebung.
Die Wolkendecke zeigt Löcher und beschert uns dadurch einen herrlich intensiv-roten Sonnenuntergang, den man in einer Wüste definitiv nicht alle Tage zu sehen bekommt. Kaum aber das die Sonne weg ist, frischt genau jener knackig kalte Wind auf, der uns die ganze Nacht in Atem halten und die Zelte mit Sand zusetzen wird…
Am Morgen stehen wir früh auf um den Sonnenaufgang mitzuerleben. Der Wind ist immer noch am blasen und erreicht in Böen gute Windstärke 5-6. Kurz können wir im Dämmerlicht noch einen scheuen Wüstenfuchs ausmachen. Priska Seisenbacher und Andreas Schörghuber von In Extenso als auch Alex und ich hocken auf dem Dünenkamm und werden vom Flugsand gepeelt während wir auf die Sonne und das Erwachen der Dascht-e Lut warten.
So wirklich farbenfroh sind Sonnenauf- als auch -untergänge in Wüsten allerdings selten, denn zum Sichtbarmachen der Farben braucht es Wolken, und die gibt es nur sehr selten. Das erste Mal hatte ich die Erkenntnis: „Warum bist Du Quatschkopf eigentlich gerade hier mit vollem Equipment hochgelatscht?!“, in der Sahara Marokkos, am Erg Chegaga.
Beim Abbau des Camps merken wir, dass es sich ein ca. 4 Zentimeter kleiner Skorpion unter unserem Zelt gemütlich gemacht hat. Final Destination ähnliche Gedanken wie „Wenn der durch den Zeltboden gepiekt hätte…“ gehen uns durch den Kopf. Interessant ist es dennoch anzuschauen wie unglaublich transparent der kleine Wüstenschreck ist.
Kalouts im Vollmond und der Sternenhimmel der Wüste
Auf dem Weg zum nächsten Camp düst Arman mit uns durch die Dünen der Dascht-e Lut. Beim Überfahren eines Dünenkamms bleibt unser zweiter Jeep fürchterlich stecken und sogar zwei Reifen verlieren die Luft. Professionell und cool wie Fonzie repariert Arman das Auto, und so kommen wir mit nur einer Stunde Verspätung im westlichen Teil der zentralen Lut an, wo ein Meer von surreal geformten und sehr fotogenen Kalout-Felsen zu finden ist.
Sonnenunter- als auch der -aufgang setzen die Schatten und Kontraste dieses Orts majestätisch in Szene und auch des Nachts können wir nicht schlafen, nicht der Skorpione sondern Lichtstimmung des Vollmonds wegen. Die geballte Kraft lunaren Lichts als auch unserer Stirnlampen nutzen wir, um die Kalouts vor dem Sternenhimmel in Szene zu setzen. Was alles andere als einfach zu fotografieren ist, wenn man die Sterne als Sterne und nicht als Leuchtspur im Foto haben will. Pro Foto gehen bestimmt 20 Minuten ins Land…
Abermals wachen wir früh auf um Zeuge zu werden, wie die Dascht-e Lut, die größte Wüste des Irans, die ersten Strahlen der Sonne aufsaugt. Auch dieses Mal sorgt der staubige Sandschleier am Horizont „nur“ dafür, dass das Streiflicht die Sandfarben hervorkitzelt. Eine Farbexplosion gibt es in der Wüste sehr selten. Die Chemie in der Gruppe stimmt, und so wackeln wir teils zusammen, teils aber auch allein los, um den morgendlich morbiden Charme des heißen Ödlands auf digitales Zelluloid zu bannen.
Schlangenlinien und Moscheen
Die Salzpfannen der Dascht-e Lut, das Licht, die Jahrtausende alten trockenen Wasserläufe und natürlich auch das Fressen von Staub erinnert mich sehr stark an meine Reisen in die Namib Wüste in Namibia. Glücklicherweise sind hier im Iran deutlich weniger Touristen unterwegs. Ich würde sogar behaupten, dass wir gut und gern mehrere hundert Quadratkilometer die einzigen Menschen waren. Ok, vielleicht vom ein oder anderen Opium- oder Menschenschmuggler abgesehen.
Leider müssen wir langsam wieder gen Shahdad, respektive Shafiabad fahren. Auf dem Rückweg erreichen wir im Mittagslicht das Tal der Moscheen, deren Kalout-Felsen in der Tat aussehen, als hätte sich hier der osmanische Baumeister Sinan in Form steinerner Gotteshäuser ausgetobt. Die surrealen Berge erinnern mich sehr an die Moscheen Istanbuls, mit ihren riesigen Kuppeln und umrahmt von Minaretten. Einzig der mittägliche Ruf des Muezzins fehlt.
Weiter entlang des Weges machen wir am Schlangen-Canyon Station, der nur seines Mäanderns wegen nach dem Reptil benannt wurde. Der Canyon ist ein erdgeschichtlicher Zeuge was geschah und Herold dessen was noch passieren wird. Selbst geringste Wassermengen vermögen den Prozess von Erosion und Korrasion zu starten.
Das Gelände bekommt Narben, die wiederum der Wind attackiert um so den ohnehin nicht allzu festen Sedimentfelsen abzuschleifen. Dieser Prozess hat über Millionen von Jahren jene Landschaft geformt, die wir in der Dascht-e Lut sehen durften.
Schutz von Grenze und Naturerbe
Kaum das wir die Wüste verlassen und wieder auf der Nehbandan-Shahdad Road sind, überholt und schneidet uns ein Jeep den Weg ab. Bewaffnete springen mit dem Sturmgewehr im Anschlag vors Auto. Ihr Gesicht sieht entschlossen aus. Für einen Moment denke ich kurz an meine Nachlassregelung.
Aber Arman, ganz Profi, regelt die Situation und erklärt den iranischen Soldaten, dass alles angemeldet ist, die Genehmigungen vorliegen und wir keine blauäugig-blonden afghanischen Drogenschmuggler sind. Den Kampf gegen die unter der NATO-Herrschaft in Afghanistan blühende Opium-Produktion als auch Menschenhandel (ehemals ~30.000€ jetzt nur noch ~3.000€ pro Kopf) nimmt der Iran sehr ernst.
Abermals stehen wir früh auf. Der Himmel ist Schauplatz eines interessanten Wolkenspiels. Andi quält den Mietwagen zu 2-3 Orten in der Dascht-e Lut die wir uns im Vorfeld entlang der Nehbandan-Shahdad Road ausgeguckt hatten. Langsam schiebt sich die Sonne über den Horizont und erweckt nicht nur die Sandfarben der Felsen sondern auch meine vor Kälte fast erfrorenen Zehen.
Bis zu 2 Kilometer darf man in die Dascht-e Lut Wüste hineinfahren, danach gibt’s dann aber definitiv ziemlichen Ärger mit dem Militär; nicht nur des Schmuggels sondern auch der Schutzbedürftigkeit dieses UNESCO-Weltnaturerbes wegen. Es ist Zeit auf Wiedersehen zu sagen. Priska und Andi fahren gen Süden, für uns aber geht es in den Norden, zum wunderschönen, fast jemenitisch anmutenden Oasendorf Nayband.
Wir verabschieden uns nicht nur voneinander und unseren Guides sondern auch von der Dascht-e Lut. Danke Arman, danke Mina, danke an Kalout Desert Travel und eine der interessantesten Wüsten weltweit.