Der eruptierende Lavadom des Ibu Vulkans

Tief im fernen Osten Indonesiens, wo sich Zimt und Muskatnuss gute Nacht sagen, liegen die Molukken; die sagenumwobenen Gewürzinseln. Dorthin geht die Reise, genauer gesagt zum größten Eiland, der Insel Halmahera. Sie liegt dort, wo sich die indonesische Sunda- an der Philippinischen Platte reibt, was Vulkane auf den Plan ruft. Einer dieser Feuerberge ist der Stratovulkan Ibu, in dessen steil abfallendem Krater ein Strombolianisch eruptierender Lavadom wächst.

Vor dem Ibu steht der Aufstieg

Doch bevor es auf den Ibu geht, kommt man erst einmal auf einem anderen Vulkan an, denn selbst der regionale Hauptflughafen Ternate ist auf dem aktiven Gamalama-Vulkan gelegen. Im stickigen Speedboot geht es dann von Ternate im Takt der Wellen hinüber nach Halmahera, ins Dorf Jailolo, von wo es noch einmal gute 3 Stunden Fahrt zum Ibu-Vulkan sind. Mein Freund Martin Rietze musste damals noch hart mit den Dorfältesten verhandeln um auf den Ibu zu gelangen. Mittlerweile aber ist Tourismus ein profitables Geschäft und mein Verhandlungsergebnis wird maßgeblich vom zu fließenden Geld bestimmt. Mein Guide Alex Djangu ist zwar teurer, bei ihm kann ich mir aber sicher sein, dass mein Geld der schulischen Bildung seines Dorfes und auch seinen Naturschutzprojekten zugutekommt.

Die Faustregel, der Weg auf den Vulkanaufstieg dauere circa 5 Stunden, muss wohl einem marathongestählten Handtaschenträger entsprungen sein. Sowohl Alex als auch ich realisieren schnell, dass wir ob der Vorräte und des Profifotoequipments 6-7 Stunden benötigen werden. Unser Aufstieg startet nachmittags um 15 Uhr. Wir laufen zunächst unter majestätischen Kokospalmen, dann aber durch dichten tropischen Regenwald. Noch wissen wir nicht, das jener Vegetationsgürtel uns auf dem Rückweg noch ordentlich beschäftigen wird. Es braucht nicht lang und der eigene Schweiß durchnässt mich komplett. Kein Wunder bei 25kg Ausrüstung und schwülwarmen 30° Celsius.

Wir rasten und entscheiden uns die übrigen Höhenmeter nachts zu erklimmen. Also heißt es um 2 Uhr aufstehen. Positiver Nebeneffekt sind die deutlich geringeren Temperaturen, dennoch lässt mich mein Schweiß ein zweites Mal absaufen. Während wir klettern fallen mir hunderte, daumendicke Tausendfüssler auf, denen mein Wanderschuh nicht immer ausweichen kann. Mit einem matschigen Knacken schicke ich sie (leider) ins Jenseits.

Eine beleibte Tarantel entwischt meiner Sohle nur knapp. Umgehend versucht sie wiederum meine Wanderschuhe durch Giftbisse zu erledigen. In der Dunkelheit wirken die haarigen Biester noch gruseliger. Die letzten ~20 Meter hinauf zum Kraterrand müssen wir auf allen Vieren krabbeln, so steil ist der Ibu. Hinzu kommt die glitschige, lose Vegetation, die den eigentlichen inneren Kraterrand verdeckt und so zum folgenschweren Fehltritt einlädt.

Wetter- und Drohnenkapriolen

Als wir den Kraterrand erreichen, hüllt sich dieser in dichte Wolken. Man kann keine 50 Meter weit gucken. Das ist das Hauptproblem des Ibu; das Wetter spielt nur selten mit. Ein Filmteam der BBC harrte jüngst ~2 Wochen am Ibu aus, musste aber ob des Wetters unverrichteter Dinge abziehen. Auch mir zeigt sich der gewaltige Lavadom, der aus drei Wachstumsabschnitten besteht, heute Morgen nur für eine Stunde. Danach eimert es wie aus Kübeln. Alles ist klitschnass und mein Zelt fliegt fast weg. Gedanken an Abbruch kommen auf. Zum Glück beißen wir die Zähne zusammen, was am Abend mit moderaten Ascheeruptionen und kleinen pyroklastischen Strömen belohnt wird. Selbst die konstante Aschesäule des fast 40 Kilometer entfernten Dukono Vulkans kann man von hier oben sehen.

Endlich kann ich meine neue Drohne auspacken…! Nur hatte ich die Rechnung ohne die leidige Kompasskalibrierung und die immense geomagnetische Wirkung des Lavadoms neben mir gemacht. Sein Zutun ist so gewaltig, dass alle Kalibrierungsversuche fehlschlagen und ich die Drohne unverrichteter Dinge wieder einpacken muss :( Naja… Egal… Es ist wie es ist, aber ich will mehr als von unten (Campsite) nach oben (Krater) gucken und so stachele ich Alex an auf den noch höheren südlichen Kraterrand zu kraxeln. Wir müssen allerdings wieder absteigen um außen, unterhalb des Kraterrands wieder aufsteigen zu können. Den Weg dorthin müssen wir uns mit Macheten frei schneiden und obwohl es nur 200 Meter Luftlinie sind, benötigt das Erreichen des Ziels fast 1 Stunde.

Die höhere Position bietet einen fantastischen Blick auf dem Krater. Man ist buchstäblich auf Augenhöhe mit den Explosionen, welche sich in circa 400 Meter abspielen. Mit 70-200mm Brennweite ist man schon gut dabei, wer es aber so richtig wissen will, der greift zum 200-400mm. Die Vegetation auf dem Kraterrand gibt dem Stativ einen wackligen Halt. Bloß nicht bewegen!

Die Explosionen treten alle ~20 Minuten auf und es ist atemberaubend, wie das Rot des Feuers vom sonst grauen Kraterplateau Besitz ergreift. Erinnerungen an den Santiaguito werden wach. Ich fotografiere bis spät in die Nacht, werde dann aber von erneut den Krater besetzenden Wolken gebremst.

Düsenjägeratmosphäre

Kurz vor 2 Uhr ist es vorbei mit dem Schlaf. Für gut eine Dreiviertelstunde produziert der Vulkan eine Geräuschkulisse die an dutzende Düsenjäger erinnert, welche gleichzeitig den Nachbrenner zünden um die Welt mit Demokratie und Freiheit zu beglücken. Ich stehe im Bett, bzw. in meinem Zelt. Sehen kann man ob der Wolken leider nichts. Auch am Morgen danach hüllt sich der Ibu in Wolken. Man hört das keramische Klimpern stürzender Gesteinsbrocken, sieht aber nicht viel. Am Morgen danach ist alles in dichtesten Nebel gehüllt. Die Netze der kleinen roten Spinnen sind gesäumt mit Wassertropfen. Im Hintergrund zeichnen sich gespenstisch tote Bäume vor dem wabernden Wolkendickicht ab. Nur kurz vor dem Abstieg lichtet sich der schwarz gefüllte Krater und sagt uns im Gegenlicht der sengenden Sonne „Auf Wiedersehen!“

Eine letzte Tortur steht uns jedoch noch bevor… Der Regen tags zuvor hat den lehmigen Waldboden aufgeweicht. Der ohnehin steile Weg ist nun abartig glitschig. Es vergehen keine zehn Schritte ohne beim Laufen nicht irgendwie destabilisiert zu werden. Mit Füßen und Beinen dagegen zu steuern, kostet sehr viel Kraft. Trotzdem fliegt man alle Nase lang auf die Nase. Beim reflexartigen Festhalten greift man dann wiederum regelmäßig in Dornen und andere spitze Sachen. Meine Hände sehen aus wie nach einem Massaker… Weitwinkelfotos des Ibu-Kraters haben wegen der Enge dort oben nur selten Wirkung, dennoch bin ich sehr zufrieden, denn ich war aber der Erste mit Profiausrüstung auf dem hohen Kraterrand und konnte dem Lavadom mit dem Tele auf den Zahn fühlen :)

Dort, wo Ibu und Dukono eruptieren findet man eine ganze Reihe von Feuerbergen, die wie auf einer Perlenkette an der Grenze der tektonischen Molukken-Platte sitzen. Jene Platte wird von der philippinischen, pazifischen, Sunda- und auch australischen Platte in die Zange genomme. Diese Subduktion wiederum ruft Vulkane auf den Plan.

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