Taktshang – Das Tigernest Kloster in den Wolken über Bhutan
Das Tigernest-Kloster Taktshang ist DIE kulturelle Ikone des Königreichs Bhutan. Hoch in den Wolken, auf 3100 Metern gelegen, kann es nur mehrstündig zu Fuß erreicht werden. Das Kloster ist dem Guru Padmasambhava gewidmet, welcher den Buddhismus nach Bhutan brachte. In einer Höhle unter dem heutigen Tigernest Kloster soll er 3 Jahre, 3 Monate, 3 Wochen, 3 Tage und 3 Stunden meditiert haben.
Zum Abschluss des Besuchs meditieren wir sogar selbst. Unser Fremdenführer und Aufpasser Tandin geleitet uns dazu in einen abgeschiedenen Raum des Klosters, wo wir uns im Luftzug der geöffneten Fenster sitzend selbst für einen längeren Moment der Stille hingeben. In der Ferne hören wir lediglich die von Mönchen rezitierten Mantren und schnuppern die von Weihrauch erfüllte Atmosphäre. Diese Einkehr ist auch dringend nötig, denn außerhalb des Klosters steppt mittlerweile der touristische Bär. Alle hinter uns Gelassenen sind auf der Suche nach dem Versteck des Tigers. Doch der Reihe nach…
Der Weg ist das Ziel
Unser Aufstieg beginnt um 7 Uhr in der Früh. Die wichtigen, ersten Höhenmeter per Pferd zurückgelegt zu haben, entpuppt sich als Glücksgriff. Zwar furzt sich mein Gaul buchstäblich den Berg hinauf, aber so enteilen wir wenigstens dem Massenansturm – einer direkt vor uns ausgekippten Horde Chinesen – und dürfen auf dem daran anschließenden Fußweg Zeuge des ein oder anderen schönen touristenfreien Moments werden. Einer davon ist der ungetrübte Blick auf das berühmte Tigernest Kloster durch die Gebetsfahnen am Berg gegenüber, oder aber das Pilgern von deutlich früher losgelaufenen Mönchen.
Das Taktshang sitzt auf der kleinen Nase einer steil aufragenden Felswand; förmlich in den Berg am Ende des Paro-Tals gepresst. Der Fußmarsch startet auf circa 2.400 Metern und führt auf bis zu 3.120 Meter – es gilt also 700 Höhenmeter zu überwinden, die eigentlich mehr sind, denn zwischendurch geht’s auch noch einmal fast 100 Meter wieder runter. Dieses Auf und Ab geschieht auf einer Höhe, wo sich der geringe Sauerstoffgehalt definitiv bemerkbar macht. Und so japsen sich nicht wenige Touristen beschwerlich den Berg hinauf, um oben von Öffnungszeiten und einer Mittagspause konfrontiert zu werden.
Abermals danke ich dem Pferd, und meinem Aufpasser Guide Tandin, der ohne ansatzweise zu murren all mein Fotoequipment auf 3100 Höhenmeter schleppt. Liebend gern würde ich hier oben die Drohne einsetzen. Das sich sanft in die Landschaft einschmiegende Tigernest ist wie gemacht dafür gemacht… Drohnen aber sind illegal, und sie zu benutzen hieße Tandins Zukunft zu ruinieren; denn er würde ob der Verletzung seiner Pflicht vom Ministry of Tourism nen ziemlichen Arschtritt bekommen… Doch zurück zum Kloster, dem gerade Schwaden verbrannten Räucherwerks entschwinden. Was nicht ungefährlich ist, denn die Butterlampen erzeugen eine immense Temperatur. 1998 brannte es sogar im Taktshang.
Nicht alles was glänzt ist Gold
Hat man das Lion Cave, einen kleinen Tempel neben einem Wasserfall passiert und die Tore des Klosters erreicht, muss ein jedermann alles abgeben; von der Kamera bis hin zum Handy, denn im Inneren es ist strikt verboten zu fotografieren, wie so oft und überall in den Heiligtümern Bhutans. Einzig Augen und Ohren dürfen Zeuge jenes Ortes sein, der seit dem achten Jahrhundert der Meditation dient. Die Klosteranlage selbst wurde aber erst Ende des 17. Jahrhunderts errichtet, nachdem der Krieg mit Tibet beigelegt wurde.
Das Tigernest-Kloster liegt auf der Sonnenseite des Lebens, und speziell in den Morgen- und Vormittagsstunden kann man nichts weiter als Gegenlichtaufnahmen produzieren, deren Dynamikumfang und Tiefenwirkung eher suboptimal sind. Man könnte zwar auch nachmittags hochkraxeln, um besseres Licht zu haben, aber da grätschen einem die Öffnungszeiten in den Zeitplan und auch die Aufpasser, äh, Guides sind da eher unflexibel. Inder müsste man sein, denn diese dürfen sich als einzige frei im Land bewegen und sogar Auto fahren.
Und dann bekomme ich doch noch ein hervorstechendes Foto. Auf dem Weg zurück ins Tal bemerke ich die schönen tibetischen Elstern (oder Himalaja-Elstern), deren Federkleid, langer Schweif und schöner Ruf eher an Paradiesvögel denn an die schwarz-weißen Krächzer unserer Breitengrade erinnern. Eines aber scheint beiden Arten gemein, das Interesse für Glänzendes. Und so erlebe ich, wie im als rein vermarkteten Bhutan, mit seiner medial vielfach gepriesenen makellosen Natur, der Vogel anfängt achtlos weggeworfene Alu-Folie zu fressen. Traurig. Erschütternd. Beschämend. Natürlich nehme ich dem Tier den Müll weg.